Die Feste feiern, wie sie fallen: »Mit mir nicht, Madam!

Solidarität und andere Sinnlichkeiten

Filmgeschichte auf Kölner Leinwänden

Der Filmclub 813 ist immer noch da, wo er hingehört: in der Brücke. Das Oktoberprogramm wird dennoch quasi fremdbestritten. In einer Solidaritätsaktion zeigen Kinos und Archive ihre Filme beim und für den Filmclub 813. Von bestkanonischer Kost wie Henri-Georges Clouzots Spannungsaxiom »Le Salaire de la peur — Lohn der Angst« (1953) oder Charles Crichtons Ealing-Komödien-Vorzeigestück »The Lavender Hill Mob — Das Glück kam über Nacht« (1951), über Entdeckenswertes von viel zu wenig beachteten Meistern wie Michele Lupo, »Un uomo da rispettare — Ein achtbarer Mann« (1972) oder Radványi Géza, »Ein Engel auf Erden« (1959), bis hin zu Obskurem, wie Heinz Schimmelpfennigs »Aufstand der Gehorsamen«, in dem Autor Marran Gosov anhand des Ungarn-Aufstandes 1956 die volksbulgarische Nomenklatura-Kultur analysiert. »Aufstand der Gehorsamen« läuft am Tag der Deutschen Einheit, einer Sitte des Hauses gemäß, welche verlangt, dass dieses Datum mit einem passenden Werk erinnert und hinterfragt wird. Dies gilt ebenso für den 7. Oktober, an dem die DDR den Tag der Republik feierte, dessen mit Roland Oehme und Lothar Warnekes kosmopolitisch-komischen Doppelregie-Debüt »Mit mir nicht, Madam!« (1969) gedacht wird. Auch im Filmclub 813 zu sehen, aber topaktuell: Viktor Bozhinovs »Golata istina za grupa Žiguli — The Naked Truth about a Group of Zhiguli« (2021).

Er ist aus Bulgarien, und wann bekommt man hier mal was aus einer der geheimnisvollsten aller osteuropäischen Kinematografien zu sehen? Aus einem ähnlichen Grund sei auch auf die KAZÉ Anime Nights hingewiesen, bei denen zwei Werke aus der yaoi-Welt (kurz: schwule Erotika für ein weibliches Publikum) präsentiert werden: Ōhashi Akiyos »Ein Fremder am Strand« (2020) und Makita Kaoris »Twittering Birds Never Fly: The Clouds Gather« (2020). Das gibt es wahrlich nicht alle Tage auf der großen Leinwand. Und überhaupt: Was für ein Glück, wieder einmal Sexfilme in einem Kino mit Fremden schauen zu dürfen. Das Kino der Sinnlichkeit bringt uns noch einmal zum Filmclub 813, wo der Episodenfilm »L’amore difficile — Erotica« (1961) von Alberto Bonucci, Sergio Sollima, Nino ­Manfredi und Luciano Lucignani einlädt zu cinephil verstiegenen Vergleichen mit »Mit mir nicht, Madam!«, sind dessen Regisseure doch ebenfalls alle Debütanten dieses Faches, allen Autoren- und Schauspielerfahrungen zum Trotz. Und was wäre wichtiger für die Filmkultur als Schwärmereien?!

Mehr zum Filmclub 813 unter filmclub-813.de und Infos zu den KAZÉ Anime Nights gibt es hier: kaze-online.de