Urlaub auf der anderen Seite? Kardinal Woelki nimmt eine bezahlte Auszeit, Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Am Aschermittwoch ist nichts vorbei

Kardinal Woelki nimmt eine Auszeit. Dadurch zieht sich die Krise des Erzbistums nur in die Länge

Es war viel Zeit vergangen, seit Papst Franziskus zwei »Visitatoren« nach Köln geschickt hatte. Sie sollten mögliche Fehler Kardinal Woelkis bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen untersuchen und generell nach dem Rechten sehen im Erzbistum, das in einer tiefen Krise steckt. Ende September schließlich fiel die Entscheidung.

Trotz »großer Fehler« in der »Herangehensweise an die Frage der Aufarbeitung« und vor allem in der Kommunikation belässt der Papst Woelki im Amt. Da es aber »offenkundig« einer Zeit des »Innehaltens, der Erneuerung und Versöhnung« bedürfe, habe Franziskus dem Kardinal auf dessen Wunsch hin eine rund fünfmonatige Auszeit gewährt, bis Aschermittwoch, dem Beginn der österlichen Bußzeit. Die Geschäfte führt unterdessen der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser. Auch die Kölner Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff, denen ein Gutachten Fehler im Umgang mit Vorwürfen sexuellen Missbrauchs attestiert hatte, und die daraufhin ihren Rücktritt angeboten hatten, belässt Franziskus im Amt. Zuvor hatte er bereits das Rücktrittsgesuch des heutigen Hamburger Erzbischofs Stefan Heße abgelehnt. Auch er soll in seiner Zeit als Personalchef in Köln Fehler gemacht haben.

Viele Gläubige im Bistum lässt diese Entscheidung ratlos zurück. Was soll das, eine Auszeit? Wie kann es danach weitergehen? »Der Papst will keine Erneuerung. Das ist an seinen Entscheidungen klar abzulesen«, sagt Karl Haucke, ehemaliger Sprecher des Kölner Betroffenenbeirats. Woelkis Vertreter, Weihbischof Steinhäuser, dürfe keine richtungsweisenden Änderungen in der Bistumspolitik vornehmen, deshalb seien auch von ihm keine neuen Impulse zu erwarten. Haucke wurde als Kind in einem Internat jahrelang von einem Pater schwer missbraucht. Vor einem Jahr war Haucke mit anderen aus dem Kölner Beirat ausgetreten, nachdem die Betroffenen absegnen sollten, dass Woelki ein erstes Missbrauchsgutachten wegen angeblicher Mängel in der Schublade verschwinden ließ. Ein erneuter Missbrauch, so schilderten es damals mehrere Betroffene.

Dass nun Woelki durch eine Auszeit zu einer wirklichen Erneuerung angeregt werden könne, glaubt Haucke nicht: »Der Kardinal ist unbelehrbar.« Woelkis Äußerungen in den Tagen nach der Papst-Entscheidung können die These von der Unbelehrbarkeit kaum entkräften. Woelki betonte vor allem seine Unentbehrlichkeit für den Papst. Nach seiner Auszeit, auch das stellte Woelki klar, werde er »mit voller Kraft« in sein Amt zurückkehren. »Das ist auch eine Drohung an alle Kritiker: Ich komme wieder, also wagt euch nicht zu weit vor«, so Haucke. Kritik aber äußern schon lange nicht mehr nur Betroffene und Laien. Auch hauptamtliche Priester und sogar leitende Kleriker wie Stadt­dechant Robert Kleine kritisieren den Kardinal öffentlich.

Der Zerfall im Bistum schreitet derweil voran. Das bistumseigene Reformprojekt »Pastoraler Zukunfts­weg« liegt auf Eis, weil die Laien die Mitarbeit mit der Bistumsleitung aufgekündigt haben. Die Zahl der Kirchen­aus­tritte ist weiter auf Rekord­niveau. Die Katholische Hoch­schul­gemeinde (KHG), die mit ihrem offenen Programm stets Hunderte Studierende anzog, hat ihr Angebot drastisch reduziert. Nachdem die frühere Leitung gedrängt worden war, ein kritisches Positionspapier nicht mehr zu verbreiten, und sogar die Website zeitweise abgestellt worden war, haben beinahe alle früheren Mitarbeiter die Hochschulgemeinde oder gleich ganz den kirchlichen Dienst verlassen. Die KHG spreche jetzt nicht mehr alle Studierenden an, unabhängig von Religion oder Herkunft, sondern nur noch die Frommen, die ohnehin kämen, hört man aus dem Umfeld des früheren Teams.

Über die Entscheidung des Papstes ist man dort entsetzt. Die Auszeit sei geradezu ein »Bonbönchen« für Woelki, damit der mal Luft holen könne. Die Menschen in den Gemeinden aber würden hingehalten und zermürbt. Ein ehemaliger Mitarbeiter sagt: »Man kann richtig dabei zusehen, wie die Energie der Menschen verpufft. Am Ende sind alle Kritiker mundtot gemacht.«