»Red Pill« vin Hari Kunzru

Stadtrevue liest

Ein Aufenthalt in einem technokratischen Think-Tank am Wannsee, der zu einer übermäßigen Faszination für Heinrich Kleist führt; die Begegnung mit einer Punkschlagzeugerin aus der DDR, deren utopische Träume durch die Stasi-Überwachung zerstört wurden; eine Freundschaft mit dem Autor einer erfolgreichen Cop-Show mit protofaschistischem Weltbild: Aus diesen Elementen kreiert Hari Kunzru die Geschichte eines linksliberalen Intellektuellen, der sich im »Rabbit Hole« der Alt-Right verliert. Kunzrus namenlose Hauptfigur (die einige biographische Ähnlichkeiten mit ihm selbst hat) zeigt sich davona intellektuell fasziniert, verliert aber die Distanz, als sie in seiner Selbstbeschreibung als unabhängig denkender Mann von Cop-Show-Autor Anton gekränkt wird. Als Geschichte über Radikalisierung ist »Red Pill« dann zwar doch nicht exemplarisch genug, trotzdem bleibt Kunzrus Verfolgungsjagd durch das Labyrinth des neurechten Kaninchenbaus bis zum Ende spannend. Das liegt allerdings an einem literarischen Kniff:  »Red Pill« bedient sich frei bei Buddy-Storys und dem Thrillergenre. Eine Mischung, die funktioniert.

Liebeskind, 352 Seiten, 22 Euro