Eigentlich ein cooles Gemüse

Schreckrüben

So groß kann die beteuerte Liebe zu altem, ­regionalem Gemüse nicht sein. Denn wo bleibt die Steckrübe?

Die Steckrübe war lange Zeit eine Schreckrübe, und ist es oft noch heute. Ihr Ruf, am heimischen Herd wie in der Hoch­küche, ist ramponiert, verband man mit ihr doch schreckliche Winter, in denen der Hunger bloß noch mit den Rüben gestillt werden konnte, tagein, tagaus — der berüchtigte »Steckrübenwinter 1916/1917«, eine Hungersnot im Deutschen Reich, wirkt so gesehen immer noch nach.

Überhaupt steht seit Menschengedenken der Verzehr von Steckrüben für große Notlagen. Zwar ist die Steckrübe durchaus Gast in kulinarischen Kreisen. Denn randständige Zutaten sind immer eine Möglichkeit, sich in Szene zu setzen. Aber beliebt ist die Steckrübe nicht.

Wie immer lohnt ein Blick in Apicius' Kochbuch: Der antike römische Snob, der sich Flamingos und Pfauenzungen zubereiten ließ, aß zwar auch die Knolle — etwa als Stampf, aromatisiert mit Kümmel, Honig, Essig und der römischen Allzweck-Würze Liquamen, einer Fischsauce. Aber es ist nicht Apicius' beste Idee. Denn was bleibt dann noch übrig vom eigentlichen Steckrübengeschmack?

Die Steckrübe schmeckt, wie vieles, was der karge Winter hergibt, irgendwie nach Kohl, nicht umsonst heißt sie auch Kohlrübe. Gängig ist es, sie mit Karotten oder Pastinaken zu vermengen — eine stets harmonische Kombination, die Süße der Möhren trifft auf das immer auch Herbe der Rübe.

Im Mittelalter galten Fleisch und Getreide als gesund, Obst sah man als gefährlich an und Gemüse zumindest als schädlich und zudem als Armenspeise, entsprechend auch damals der Ruf der Steckrüben. Man verfütterte sie ans Vieh. Bloß in der der Not aßen Menschen sie — so wie Baumrinde und Eicheln.

Daher rührt wohl auch, dass manch einer keinen Unterschied macht zwischen Steck- und Zuckerrübe. Rüben gelten als plump, in Gestalt wie im Geschmack. Bis vor Jahrzehnten war noch der bösartige Ausdruck »Arbeiter-Ananas« im Um­lauf. Auch wenn durch Züchtung die heutigen Steckrüben, zumal die mit gelblichem Fleisch, längst nicht mehr so herb schmecken, sind sie doch ein ruraler Genuss geblieben. Bevor wir sie aber als neues Superfood — kalorienarm, viel Kalium — in Bowls vermengen, wäre es jetzt an der Zeit, ihren ursprünglichen Geschmack kennenzulernen.