»Bei jedem Motorengeräusch rausgehechtet«: Schulbaustelle am Niehler Kirchweg

Der Baum als Problem

Im Streit um Schulbau auf Grünflächen gibt es erste Annäherungen

Dass es mit dem Schulbau schneller vorangehen muss, darin sind sich alle einig. Köln braucht 54 neue Schulen in den nächsten zehn Jahren. Noch mehr müssen saniert werden. Doch Köln hat auch den Klimanotstand ausgerufen. Jeder Baum, jedes Fleckchen Grün zählt.

Ausgerechnet durch den Schulbau gerät das Grün unter Druck. Flächen sind so knapp, dass die städtische Gebäudewirtschaft Grünflächen bebaut: Etwa im Grüngürtel am Venloer Wall, wo — größtenteils auf dem Außengelände zweier städtischer Kitas — ein Interimsgebäude für Innenstadt-Grundschulen entstehen soll. Oder am Niehler Kirchweg in Nippes, wo ein Berufskolleg und eine Realschule saniert und erweitert werden. Mehr als hundert Bäume müssten weg, hieß es zunächst.

Bildung oder Bäume? Selbst die Grünen waren sich uneins. Anfang Dezember wurden schließlich beide Schulbauprojekte im Beschwerdeausschuss verhandelt — mit unterschiedlichem Ausgang. »Die Diskussion war sachlich, freundlich und kooperativ — über Parteigrenzen hinweg«, lobt Kathrin Rothenberg-Elder von der Bürgerinitiative »Natur für Nippes«, die gegenüber der Schulbaustelle am Niehler Kirchweg wohnt. Nach einem Ortstermin mit Vertreterinnen der Bezirkspolitik und der Gebäudewirtschaft hatte man sich schon im Oktober geeinigt, die Planung anzupassen, um ein Drittel der ­Bäume zu retten. Die Bezirksvertretung Nippes und der Beschwerdeausschuss schlossen sich an — ein Erfolg der Bürgerinitiative.

Früher sei sie »bei jedem Motorengeräusch rausgehechtet«, aus Angst, dass die Stadt Tatsachen schaffe, so Rothenberg-Elder. Nun sei Vertrauen gewachsen. »Viele Verantwortliche in der Verwaltung haben sich aus ihrer Komfortzone begeben. Wir haben uns jetzt auf ein gemeinsames Ziel eingenordet.«

Bei der Gebäudewirtschaft ist man sich der Sensibilität des Themas inzwischen bewusst. Bei einem Pressegespräch im November zählt die Technische Leiterin Petra Rinnenburger klimaschonende Standards beim Schulbau auf: Passivhausbauweise, begrünte Fassaden und Dächer. »Und natürlich ringen wir auch um jeden Baum«, so Rinnenburger. Dass am Niehler Kirchweg erst nach Protesten mehr Bäume erhalten bleiben können, sei zwar richtig. Aber: »Wir erhalten die Bäume zu Ungunsten der Kinder. Dort fallen nun pädagogischer Raum und Flächen für Sport und Bewegung weg.«

Rinnenburger wirbt um Verständnis. Es habe Drohungen gegen Mitarbeiterinnen gegeben, ein Info-Abend zur Erweiterung der Königin-Luise-Schule an der Alten Wallgasse fand unter Veranstaltungsschutz statt. Rinnenburger wirkt noch immer fassungslos. Doch man habe auch etwas gelernt. Ab sofort werde man die »vertiefende Natur- und Artenschutzprüfung« ganz an den Beginn der Planungen stellen — und nicht erst wie bisher, wenn der Bauantrag gestellt wird.

Auch im Fall des Bauprojekts am Venloer Wall will die Gebäudewirtschaft auf Kritik eingehen. Dort und an einem weiteren Standort im Grüngürtel sollen zwei Interimsgebäude entstehen, in die nacheinander sechs Grundschulen aus der Innenstadt einziehen, während deren Gebäude saniert werden. Am Venloer Wall geht dies auf Kosten des Außengeländes zweier städtischer Kitas. Auch der Grüngürtel wird angetastet, 13 Bäume und zwölf Sträucher sollen dafür fallen. Aber die Verwaltung hat eine Variante erarbeitet, die »keinen Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet erfordert«. Nun entscheiden die politischen Gremien — was das Bauprojekt mindestens um ein Jahr verzögert und mindestens eine Million Euro teurer macht. Die Elternvertreterinnen der Kitas am Venloer Wall, die den Protest angeführt hatten, werden auch damit nicht zufrieden sein: Auch die neue Variante wird 13 Bäume kosten — und die Außenfläche der Kitas wird sogar noch kleiner.