Außergerichtliche Opposition: Die Initiative Tatort Porz am Landgericht Köln

Die Grenzen des Rechts

Im Prozess gegen Hans-Josef Bähner stellt sich auch die Frage, wie Rassismus vor Gericht verhandelt wird

»Wir machen jetzt mal zehn Minuten Pause« — diese Worte hat Ralph Ernst in den letzten Wochen öfters mal gesagt. Ernst ist Vorsitzender Richter im Prozess gegen den ehemaligen CDU- Kommunalpolitiker Hans-Josef Bähner, der sich gerade vor dem Kölner Landgericht verantworten muss. Verteidigt wird er vom Bonner Anwalt Mutlu Günal, der sich gerne mal aus der Fassung bringen lässt — am ehesten von seinem Gegenpol Edith Lunnebach. Sie vertritt Krys M., den Bähner vor seinem Haus am Porzer Rheinufer angeschossen hat, als M. und vier Freunde dort kurz vor dem Jahreswechsel 2019/20 Wodka getrunken und sich unterhalten haben. Und wenn Günal spricht, rollt Lunnebach manchmal mit den Augen oder gestikuliert. Günal schnauzt sie dann an oder wirft ihr vor, »hysterisch« zu sein. Und Richter Ralph Ernst schickt alle Beteiligten für zehn Minuten vor die Tür.

Dabei geht es in diesem Prozess um viel: Bähner steht wegen illegalem Waffenbesitz und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Zu­­dem steht der Vorwurf im Raum, dass er Krys M. rassistisch beleidigt haben soll — was sein Strafmaß erhöhen dürfte, wenn das Gericht den Vorwurf bestätigt.

Nachdem im November Krys M. und seine vier Freunde als Zeugen gehört wurden, folgten im Dezember nun die Aussagen der ermittelnden Polizeibeamt*innen. Auch hier stand die Frage nach Rassismus im Vordergrund. Zwar äußerte Krys M. bereits in der Tatnacht, dass er von Bähner rassistisch beleidigt worden wäre — die Beamtin, die ihn unmittelbar nach der Tat als erstes befragte, tat diese Aussagen aber als »wirr« ab. Genauer wissen wollte es die Polizei erst, nachdem M. seine Behauptung etwa eine Woche später in einem WDR-Bericht wiederholt hatte. Aufgrund weiterer Presseanfragen habe auf ihrer Dienststelle eine gewisse »Thermik« geherrscht, äußerte eine andere Polizeibeamtin, die M. und seine Freunde nach der Ausstrahlung des Berichts vernahm. In diesen Gesprächen konkretisierten die vier jungen Männer — allesamt mit familiärer Migrationsgeschichte — ihre Vorwürfe, auch wenn ihre Aussagen nicht eindeutig sind. Es seien Worte wie »Scheiß Ausländer« oder »Drecks­k*****en« gefallen — einer von ihnen will den Ausdruck »Dreckspack« gehört haben. Die Polizeibe­amt*in­nen fanden es vor Gericht nicht außergewöhnlich, dass sich eine Erinnerung erst im Nachhinein konkretisiert hat. Die Verteidigung sieht darin einen Beleg, dass sich die Vier im Nachhinein abgesprochen haben.

Aber haben die vernehmenden Beamten einen möglichen rassistischen Kontext vielleicht auch einfach nicht erkannt? Das legt zumindest die Aussage des Leiters der Mordkommission nahe, bei dem die einzelnen Stränge der Ermittlung zusammen liefen. Dieser kontaktierte zum Beispiel nicht die hauseigenen Rechts­extremis­mus­ex­pert*innen. Vor Gericht bewertete er einen Facebook-Post Bähners, in dem dieser von einem »rot-rot-grünem Reisebüro für Menschen, die Asylstatus haben« sprach, zwar als »grenzwertig kritisch«, wollte daraus jedoch keine Rückschlüsse auf eine mögliche rechte Gesinnung Bähners ziehen. Auf die Frage der Nebenklageanwältin Edith Lunnebach, ob sich das mit den Hinweisen auf rassistische Beleidigungen nicht zu einem Bild fügen würde, antwortete er: »Ich habe nicht den Eindruck, dass die Tat anders verlaufen wäre, wenn es sich um einen optisch deutschen Menschen gehandelt hätte.«

Der Rassismus-Verdacht hatte dem Fall Bähner vor zwei Jahren so viel Aufmerksamkeit beschert, dass sich selbst der CDU-Generalsekretär Paul Zimiak von seinem Parteikollegen distanzierte. Aber selbst wenn sich der Verdacht auf rassis­tische Beleidigungen nicht vor Gericht bestätig wird, zeigen sich in dem Fall eine Reihe von strukturellen Ungleichheiten, die auch etwas mit Rassismus zu tun haben. Ein Versicherungsmakler in Rente trifft auf vier junge Männer mit Migrationshintergrund, die trotz eines ähnlichen Schulbildungsniveau in ihren frühen Zwanzigern noch Probleme haben, in den Arbeitsmarkt zu finden. Die Vier treffen sich im öffentlichen Raum, weil sie teils noch zu Hause wohnen, wodurch Bähner sich in seinem Bungalow gestört fühlt, der aufgrund der steigenden Bodenpreise immer weiter an Wert gewinnt.

Und dann ist da noch die Tat­sache, dass die vier Männer unbewaffnet waren, während Bähner mehrere Waffen besitzt. Eine dieser Waffen, eine Pistole, trug er in der Tatnacht bei sich, schoss damit aus geringer Entfernung auf Krys M, und traf ihn in den Oberarm. Die Waffe war nicht auf ihn registriert, was einen Verdacht nahelegt: Der langjährige Freizeitschütze Bähner wollte es erschweren, dass eine Schussabgabe auf ihn zurückgeführt wird. Dazu passt ins Bild, dass Bähner laut Aussagen mehrerer Polizeibeamt*innen in der Tatnacht behauptet hat, Krys M. und seine Freunde hätten diese Pistole in seinen Garten geworfen. Vor Gericht hielt Bähner diese Behauptung nicht aufrecht. Vielmehr soll sich nun der Schuss gelöst haben, als er einen Schlag auf den Arm bekom­men hat. Bislang wurde diese Behauptung weder durch Zeugen noch durch den Rechtsmediziner Markus Rothschild von der Universität Köln bestätigt, der als Sachverständiger vor Gericht war. Aus dem Einschusswinkel in den Oberarm könne er nicht ableiten, dass Krys M. auch den Unterarm in Richtung Bähner gestreckt hätte. Zudem wies er darauf hin, dass sich ein Schuss nicht einfach so löse, sondern eine Schussabgabe ein aktiver Vorgang sei. Bähners Verteidiger Mutlu Günal gefiel das nicht. Er würgte ihn ab: »Darum geht es hier nicht.« Mit einem Urteil wird für Januar gerechnet.