Stangen, die viel Klang bedeuten: Elisa Metz, Foto: Frederike Wetzels

Festkörper-Musik

Neues von Elisa Metz und Julianna & Matias Aguayo

Wenn »Alles Außer Alben« ausnahmsweise die Kreise der »Kölschen Tön« kreuzt, dann muss das gute Gründe haben. Der gute Grund trägt den Namen »Three Wands« und ist die (digitale) Debüt-EP der Kölner Grafiker*in und Musi­ker*in — we call it Kreativwirtschaft — Elisa Metz. Nach einem Studium an der Design-Hochschule KISD und dem Master an der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule, am be­­kannten Institut für Musik und Medien (IMM), geht Metz in  die Offensive. Dafür bündelt sie ihre Kräfte mit dem vergleichsweise jungen Label von Johannes Klingebiel und Julian Stetter: akwa.

Ob die Sounds, die Metz in den drei aktuellen Stücken »Blue«, »Red« and »Green« spielt, »fest« oder doch eher »wässrig« klingen, bleibt ambivalent. Ihr Versuchs­aufbau spricht erstmal für Festkörper-Musik: Für die Veranstaltung »Palastrauschen« im Musuem Kunstpalast Düsseldorf hatte sie eine Klanginstallation mit freinchwingenden Glasstäben gebaut, durch die sie sich bewegte. Derer drei nimmt sie nun für diese Platte und nimmt die jeweilige Stimmung der Glasstäbe, die sie selbst in der Glaserei ihres Onkels hergestellt hat, zum Anlass und Ansatzpunkt je eines Stücks. Die Glasstäbe werden zu Zauberstäben (englisch: »wands«) aus denen geisterhafter Klang kommt.

Aber dass Festkörper durchaus auch flüssig klingen können, wissen wir spätestens, seitdem Röhrenglocken und Celesten die Welt bevölkern. Auch hier schmelzen die Töne nur so durch die fragilen Stücke, die zwischen kompositorischer Strenge und improvisierter Leichtfüßigkeit changieren.

Metz spielt viel mit Resonanzen, lässt den auratischen und super-hippen Synthesizer Lyra 8 dröhnen, während endless sustain aus den Saiten eines E-Basses gelockt wird — mithilfe jenes kleinen technischen Geräts namens E-Bow, der gerade für Freunde des Progrocks von gesteigerter Bedeutung war. Dazu leiht sie den Stücke ihre Stimme: ungeübt, naiv, fragil summt sie sich hier von links nach rechts und zurück. Die drei Zauberstäbe, die den Ton angeben, wissen famose Momente zu erzeugen: Wenn in »Red« nach 1:20 Minute der Drone einsetzt und das Metz’sche Gesumme mit Reverb versetzt wird, dann erinnert das nicht nur klar an »Within You ­Without You« von den Beatles, ­sondern ist ganz bodenständig betrachtet ordentlicher Pop.

Dass die Platte in einem fulminanten Feedback-Chaos endet, ist dabei kein Widerspruch zum Pop-Entwurf, sondern unterstreicht ihn gar. Denn schon Akrobaten wie die Fuck Buttons haben bewiesen, dass große Schönheit auch im lautesten Krach entstehen kann.

Da Elisa Metz nebenbei Mitherausgeberin der grapefruit ist, dem DIY-Magazin über Komponistinnen in der Musikgeschichte, darf man davon ausgehen, dass sie an Vorgängerinnen wie von Meredith Monk bis Julia Holter geschult ist. Ganz sicher kann man sich jedoch sein, dass diese Platte unmittelbar von der Wiener Soundtüftlerin Conny Frischauf beeinflusst ist. Immerhin hat Metz selbst schon ein Konzert der Bureau-B-Künstlerin in der Kölner Uni veranstaltet.

Wo wir gerade bei internationalen Komponistinnen und Kölner Connections sind: Die Kolumbianerin Julianna greift, nachdem sie sich einen formidablen Ruf als Techno-DJ mit Neigung zu Industrial und Elektro erarbeitet hat, nun nach höheren Produzenten-Ehren. Bis dato kannte man die Weißsträhnen-Trägerin aus Medellin in Kolumbien, wo sie Teil des Move-Kollektivs ist, vor allem von vereinzelten Compilation-Beiträgen — oder eben als Plattenjongleurin. Nun erscheint endlich ihre erste EP, die sie dennoch nicht alleine auf den Weg bringt, sondern Hand in Hand mit einem alten Kölne rBekannten: Matias Aguayo. Seit über einem Jahrzehnt baut Aguayo Brücken zwischen seinen Heimaten; so geht es stets aus Köln nach Paris, weiter nach Mexiko und Chile, über Argentinien und wieder zurück. Der Austausch läuft auch diesmal über sein Label Cómeme, das schon länger Vehikel für diesen transatlantischen Transfer herhält. Glücklicherweise hört man auf der EP vergleichsweise wenig von Aguayos typischen und unverkennbaren Schablonen-House, der stark auf den Einsatz der eigenen Stimme als Instrument — in vielerlei Verfremdungen — setzt.

Auf der EP »Que Si El Mundo« (deutsch: »Was wäre, wenn die Welt«) setzt sich viel mehr ein introvertierter Techno-Sound durch, der gelegentlich mit Ambient turtelt, aber in seinen Tiefen immer nach Berghain riecht. Selbst dann, wenn auf der B-Seite der Titeltrack ins Unterseeboot steigt und mit Buckelwalen auf Tauchstation geht. Dort unten, mehrere hundert Meter unter der Wasseroberfläche geht es nicht nur laut zu, sondern es ist auch stockdüster. Wenn diese Platte in den folgenden Wochen genügend Aufmerksamkeit bekommt, dann könnte tatsächlich wahr werden, was das Label Cómeme schon längst behauptet und etliche Kollektive vom Kontinent von sich geben: Süd- und Mittelamerika als künftiger Mittelpunkt der DJ-Welt. Lockere Corona-Bestimmungen, sich schnell entwicklende Kunst- und Musikszenen, eine kontinuierlich wachsende Mittelschicht und große Lust auf europäische DJs — das alles spricht dafür. Bis dahin heißt es Mate trinken und abwarten. Und diese EP einfach abseits von Makroökonomie genießen.

Elisa Metz, »Three Wands« (akwa music)
Julianna & Matias Aguayo, »Que Si El Mundo« (Cómeme / Kompakt)