Auf dem Geschichtstrip: Angela Steidele, Foto: Heike Steinweg

Zwischen den Geschlechtern

Ist Angela Steideles »In Männerkleidern« die Biographie einer Frau, die sich als Mann fühlte?

Bekannt wird Catharina Linck als Frau in Männerkleidern und schließ­lich hingerichtet wegen »Unzucht mit einem Weybe«. Ihre Geschichte ist das frühe Zeugnis eines genderfluiden Lebens, das die Kölner Literaturwissenschaftlerin Angela Steidele bereits 2004 porträtierte. Anlässlich Lincks 300. Todestags hat der Insel-Verlag die Biographie dieser außergewöhnlichen Frau neu herausgegeben.

Geboren wird Catharina Margaretha Linck 1687 als uneheliche Tochter eines Soldaten in einem Dorf bei Halle. Mit ihrer Mutter wächst sie in prekären Verhältnissen auf und begreift früh, dass Geschlecht und sozialer Status einander bedingen. Im Alter von 15 Jah­ren beginnt sie, Männerkleidung zu tragen und tritt unter ihrem männlichen Pseudonym in Erscheinung. Als Anastasius Rosenstengel schließt sie sich einer radikalen pietistischen Gruppe an, kämpft als Musketier im Spanischen Erbfolgekrieg und heiratet die 19-jährige Catharina Mühlhahn. Viele Jahre bleibt das Doppelleben unentdeckt, doch die Liebe zu einer Frau wird Catharina Linck schließlich zum Verhängnis. Von der eigenen Schwiegermutter denun­ziert, wird Linck 1720 unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. der Prozess wegen Sodomie gemacht.

Mit ihrer umfangreichen Re­cherche hat Angela Steidele ein beeindruckendes Porträt zusammengetragen. Gerichtsakten und Briefwechsel sind dem biographischen Bericht angehängt und dokumentieren, wie Catharina Linck unter den Kleidern ein »von Leder gemachtes ausgestopftes männliches Glied« trägt und unzählige Frauen liebt. Wiederholt wird Linck enttarnt, entkommt der Strafe jedoch durch Witz und Gerissenheit. Indem Linck zwischen den sozialen Geschlechtern wechselt, sich mehrfach umtaufen lässt und ihren Namen ändert, bleibt sie lange Zeit unbehelligt. Auf der Anklagebank gibt sie angesichts der drohenden Todesstrafe später zu Protokoll: »Wenn sie auch schon aus dem Wege geräumt würde, so bliebe doch dergleichen.«

Dergleichen ist das Andere, das sich im frühen 18. Jahrhundert weder in binäre Geschlechtermodelle einordnen noch mit den Begrifflichkei­ten der Gegenwart erklären ließe — und doch existierte. Vielleicht lässt sich Catharina Lincks Identität daher weder als transsexu­ell noch lesbisch beschreiben, sondern als zwischen den Geschlechtern, um selbstbestimmt leben und lieben zu können. Als wahrscheinlich letzte Frau in Europa wird Linck am 8. November 1721 wegen »Unzucht mit einem Weybe« zu Tode ver­urteilt und hingerichtet.

Angela Steidele: »In Männerkleidern«, Insel, 326 Seiten, 24 Euro