Pablo Held: Immer intensiv, Foto: Arne Schramm

Nicht auf den Pianisten schießen

Pablo Held veröffentlicht eine große Retrospektive seiner Konzertreihe

Für viele sieht das Idealbild des Jazz so aus: ein Club, eine Bühne, davor entspanntes Publikum und Musiker, die zwanglos die Bühne betreten und einfach spielen, sich dabei gegenseitig zu musikalischen Höchstleistungen treibend. Das ist freilich Hollywoodkino-Jazz und in der Wirklichkeit nicht mehr als ein Modus des Spielens, ein ziemlich seltener und übrigens schon ziemlich ausgelutschter. Wichtiger sind heute feste Ensembles und starke Solisten, die in der Lage sind, auch Ad-hoc-Gruppen mit ihren Ideen zu inspirieren.

Der Kölner Pianist Pablo Held leistet in beiden Metiers Herausragendes: Er spielt seit über 15 Jahren in einer festen Trio-Besetzung, er ist zugleich Kurator von Konzert- und Gesprächsreihen, in denen er neue Ideen — neue Stücke, neue Ensembles, neue Vorlieben — ausprobiert. Seine Reihe im Ehrenfelder Loft »Pablo Held Meets« ist deshalb definitiv nicht als Jam Session zu verstehen: Seit über vier Jahren lädt er Musikerinnen und Musiker quer durch alle Jazzstile und Improvisationshaltungen ein, um aus diesen spontanen Begegnungen Musik zu schöpfen, die so konzentriert wie unwägbar ist. Auf seinem eigenen Label Hopalit veröffentlicht er nun ein Extrakt davon, wenn man so will: die Konzentration der Konzentration. 20 Stücke von 20 Ensembles, über drei Stunden Musik aus vier Jahren, ein perfekter Einstieg in die Welt des zeitgenössischen Jazz — wie er von Kölner Warte aus interpretiert wird.

Highlights? Jazzrock von Jan Hammer, Herbie Hancocks »Domo«, der Ausbruch aus winterstarrer Innerlichkeit mit dem bemerkenswerten Gitarristen Ben Monder (»Late Green«), die Morton-Feldman-Komposition »Christian Wolff in Cambridge«, und von Helds eigenen Stücken »Seizing« und »Elegy For FK«. Die Liste der Gäste ist beein­druckend, kein Schaulaufen der Jazz-Stars: Christian Lillinger, John Schröder, Norma Winstone, Jochen Rueckert, Elisabeth Coudoux, Ella Zirina — to name but a few.

Die Gefahr, die so eine opulent arrangierte Rundumschau mit sich bringt, besteht im paradoxen Verschwinden des wichtigsten Protagonisten. Wir erleben Pablo Held in so vielen unterschiedlichen Rollen — Solist, Begleiter, Interpret, »natürlicher« Bandleader —, die sich auch stilistisch ausdrücken — von nachdenklicher Introspektion bis zum hochenergetischen Zusammenspiel –, dass man gar nicht länger einen Pianisten, eine Spielerpersönlichkeit hört. Pablo Held löst sich auf in den Klangnetzwerken seiner Bands. Aber das ist ja die Botschaft des Jazz: Man spielt, um das Ego mit all seinen Obsessionen hinter sich zu lassen. Bei »Meet Me At The Loft« passiert genau das.

»Meet Me At The Loft« ist digital erhältlich:
pabloheld.bandcamp.com/album/meet-me-at-the-loft