Verschossen in Bowie: Reinhard Kleist, Foto: © Wolf-Dieter Tabbert / Carlsen Verlag

Aus der Vorstadt zu den Sternen

Comiczeichner Reinhard Kleist erzählt, wie ­David Bowie sein Leben veränderte

»David Bowie saved my life«, schreibt der Comiczeichner Reinhard Kleist in der Danksagung seiner neuen Graphic Novel »Starman. David Bowie’s Ziggy Stardust Years«. »Für einen Teenager wie mich, der in einem Dorf im Rheinland aufwächst und merkt, dass er anders ist als die anderen«, sei der Musiker ein Rolemodel gewesen, so der 1970 bei Köln geborene Kleist in einem Interview.  Und so habe er sich »prompt in ihn verschossen«. Von dieser Verbundenheit zu seinem Protagonisten ist sein biographischer Comic »Starman« geprägt, in dem Kleist das Anderssein Bowies und seine Wandelbarkeit in den Mittelpunkt rückt. Im Zentrum steht die Entstehung und Wirkung des 1972 erschienenen Konzeptalbums »The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars«, mit dem Bowie der Durchbruch zum Popstar gelang. Verwoben sind darin allerdings biografische Versatzstücke und Songtexte sowie Bowies Auseinandersetzung mit der Popgeschichte, aus der er sich reichlich bediente. »Ziggy zeigte jedem von uns, dass die Persönlichkeit eines Menschen weit mehr Facetten hat und dass wir mehr Kreaturen in uns tragen, als wir glauben«, wie es der namenlose Erzähler zusammenfasst.

»Die Bühne verwandelt dich in einen anderen Menschen. Das ist irre, oder?«, erklärt Terry Jones seinem kleinen Bruder David Anfang der Sechziger bei einem Jazzkonzert — und damit fängt alles an. Dieser Moment der Verwandlung ist es, der den Jugendlichen fasziniert, und ihn einige Jahre später erst zu David Bowie und schließlich zu Ziggy Stardust werden lässt. Dieser Weltraumheld, der die Erde mit seiner Musik und seinen bunten Outfits vor dem Untergang retten will, wird im Comic mit der Enge und Tristesse einer Jugend in einem Londoner Vorort gegengeschnitten. Das Weltall wird zum Rettungsanker und Fluchtpunkt vor der Enge der eigenen Herkunft. Bowie lotet Grenzen aus, um sie zu überschreiten und präsentiert mit Ziggy Stardust eine sexuelle Identität, die, so der Subkulturforscher Dick Hebdidge, »zuvor in der Jugend- und Rockkultur unterdrückt, ignoriert oder nur angedeutet worden war«. Man merkt seiner Auseinandersetzung mit der Person Bowie/Stardust an, dass Kleist vor allem dieses Grenzüberschreitende gereizt hat. Ähnlich wie Bowie sich selbst zum Gesamtkunstwerk stilisiert und Pop als Spiel mit Identitäten auf die Spitze getrieben hat, hat Reinhard Kleist mit »Starman« einen beeindruckenden Comic geschaffen, der diesem künstlerischen Konzept ziemlich nahe kommt. Das Bunte, die Drogen, das Extravagante haben einen Platz neben dem Persönlichen, dem Leisen und Ernsthaften, das Größenwahnsinnige neben dem Ehrgeiz, als Künstler anerkannt zu werden.

Reinhard Kleist: »Starman. David Bowie’s Ziggy Stardust Years«, Carlsen, 176 Seiten, 25 Euro.