Machen Mut: Sam-Lias Schikatis (l.) und Rabea Maas bieten die Mental-Health-Gruppe an, Foto: anyway e.V.

»Einsamkeit ist größer geworden«

Die Beratungsstelle Anyway für LSBTIQ*-Jugendliche schlägt Alarm

»Das dritte Jahr der Corona-Pandemie lässt das Realität werden, wo­vor Expert*innen lange gewarnt haben«, heißt es gleich im ersten Satz einer Pressemitteilung, die — man kann es nicht anders sagen — für Furore sorgte. Versendet hat sie eine kleine Beratungsstelle in Köln, das Anyway am Friesenplatz, gegründet 1998, um LSBTIQ*-Jugendlichen eine gemeinsame Anlaufstelle in der Stadt zu bieten. Mit der Mitteilung wollte man zunächst einmal darauf aufmerksam machen, dass die Beratungsanfragen hier seit Be­ginn 2020 enorm gestiegen sind. Dass das Personal knapp wird, um die vielen Gespräche, die gerade not­wendig sind, überhaupt führen zu können. Und auch um ein Signal in Richtung der Stadtpolitik zu senden, doch bitte etwas mehr zu tun, für die Jugendlichen in dieser Zeit. Doch das Thema ist eigentlich größer.

Denn für viele LSBTIQ*–Jugend­liche spitzt sich die Lage zu. »Die Einsamkeit ist größer geworden«, beobachtet Jürgen Piger. Er ist Geschäftsführer des Anyway und hat bereits im Frühjahr 2021 eine Um­­frage unter rund 300 Besu­cher*in­nen der Beratungsstelle angestoßen. Rund die Hälfte gab schon damals an, stark oder sehr stark von der Pandemie belastet zu sein. Die genauen Zahlen: 67 Prozent litten laut der Umfrage unter depressiven Verstimmung, 36 Prozent unter Angstzuständen, 18 Prozent unter selbstverletzendem Verhalten. Exakt ein Viertel der queeren Jugendlichen und jungen Erwachsenen gab sogar an, mit suizidalen Gedanken zu kämpfen.

»Die Wartezeiten für Therapieplätze sind lang, medizinische Termine für trans*Jugendliche werden ständig verschoben«, erklärt Jürgen Piger. »Zudem sind viele damit konfrontiert, mehr Zeit als sonst in einem Umfeld, etwa in ihren Familien, verbringen zu müssen, in dem sie sich noch nicht gezeigt haben.« Das Anyway versucht hier eine Überbrückungshilfe zu sein, aufzufangen, was möglich ist, mit der ohnehin krisengebeutelten Struktur. Denn gerade kleine Träger stehen nach zwei Jahren Pandemie auf wackeligen Beinen, umso dringender ist es jetzt geboten, zu reagieren. Die Pressemitteilung des Anyway hat es jedenfalls in die Öffentlichkeit jenseits der Stadtgrenzen geschafft. Was passiert als nächstes?