Köln hat seine Liebe zum Moos bislang kaum entdeckt: Moos-Schriftzug an Ehrenfelder Mauer

Ohne Moos nix los

Seit einigen Jahren versuchen Städte, ihre Luft mit Moos zu säubern. Kann das klappen?

Die Cannstatter Straße hat es zu zweifelhaftem Ruhm gebracht. Die Verkehrsader in der Stuttgarter Innenstadt gilt als Deutschlands Hotspot für schlechte Luft. Nirgends sind die Werte für Luftschadstoffe wie Stickoxide und Feinstäube höher. Das veranlasste Stuttgart im Frühjahr 2017 zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: Die Verwaltung ließ an der Cannstatter Straße eine hundert Meter lange und drei Meter hohe Mooswand aufstellen.

Die Mooswand war ein Feld­versuch, in den die Stadt insgesamt mehr als 560.000 Euro investierte. In Laborstudien hatten Forschende zuvor nachgewiesen, dass Moose Luft reinigen. Die Oberfläche einer Moospflanze besteht aus vielen kleinen Blättchen. Dadurch hat Moos im Vergleich zu anderen Pflanzen eine große Gesamtoberfläche. Zudem haben seine Blätter eine komplexe Struktur und sind elektrostatisch geladen. Durch diese Eigenschaften können Moose kleine Schadstoffe aufnehmen und größere, etwa Feinstaub mit einer Partikelgröße von zehn Mikrometern, binden. Damit könnte Moos, das manchem Gärtner den Rasen und die Laune verdirbt, Städten als Luftfilter dienen.

Auch in Köln ist die Luft schlecht — und auch hier gibt es seit Jahren Überlegungen, mit Moos die Stadt zu begrünen und die Luft von Schadstoffen zu befreien. Zwar konnte man die Luftschadstoff-Werte etwa am stark belasteten Clevischen Ring in Mülheim zuletzt unter die EU-weiten Grenzwerte drücken. Doch noch immer hat Köln ein Problem mit Stickoxiden.

Bei der Idee, Moos als Luftfilter einzusetzen, ergreifen vor allem die Bezirke die Initiative. Einen ersten Vorstoß hatte die Bezirksvertretung Nippes unternommen. Sie beschloss im Dezember 2017, für 25.000 Euro einen »City Tree« anzuschaffen. Der drei Meter hohe Turm ist eine Kombination aus Mooswand und Sitzgelegenheit und wird von einem Green-Tech-Unternehmen aus Brandenburg angeboten. Viele deutsche Städte haben solche »City Trees« bereits aufgestellt. In Nippes sollte er an der Ecke Niehler Straße/Friedrich-Karl-Straße platziert werden.

»Es wäre schön, wenn Mooswände zu einer Reduzierung von Luft­verschmutzung beitragen können«, erklärt Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert von den Grünen. Ende 2020 beauftragte auch die BV Mülheim die Stadtverwaltung, den Einsatz von Mooswänden für bessere Luft zu prüfen. Dass es bislang keine Mooswände gibt, liegt auch daran, dass man bei der Stadt skeptisch ist. Von dort heißt es, man verfolge die Initiativen, in einigen Städten durch gezielten Einsatz von Vegetation die Luftqualität zu verbessern, seit Jahren. »Bisher liegt kein signifikanter Nachweis vor, dass durch Begrünung die von Fahrzeugen ausgestoßenen Emis­sionen wirkungsvoll abgebaut werden können«, heißt es. Die praktische Umsetzung habe sich zudem als schwierig erwiesen, da die Vitalität der Pflanzen bei extremen Wetterbedingungen nicht ­aufrechterhalten werden könne.

Viele der Argumente, die man in Köln gegen Moos vorbringt, sind aus Stuttgart entlehnt. Dort sieht man das Moos-Experiment jedoch nicht als gescheitert. Man habe gezeigt, dass Moose in begrenztem Umfang Luftschadstoffe binden können, erklärt das Stuttgarter Amt für Umweltschutz gegenüber der Stadtrevue. In Messungen im Umfeld der Mooswand habe man eine leicht reduzierende Wirkung festgestellt, auch wenn die gewünschte deutliche Reduzierung der Luftschadstoffe nicht erreicht werden konnte. »Wichtig war es der Stadt in diesem Zusammenhang, nichts unversucht zu lassen und eben auch mal ungewöhnlichere Wege für gute Luft zu gehen.«