Es wird bald wieder besser: Heiko Voss

Lange Pausen, kurze Songs

Heiko Voss kennt zwar die Tanzfläche, spielt aber lieber richtig guten Pop

Es waren wilde Zeiten in den Nullerjahren in Köln: Der elektronische Sound der Stadt ging als »Sound of Cologne« durch die Welt, die Total-Confusion-Partys waren weit über die Landesgrenze hinaus bekannt, selbst kleine Labels sorgten für Furore. So etwa Firm, das Label von Thomas »Tombo« Schaeben und Heiko Voss, das aus dem Windschatten von Kompakt heraustretend, von England bis Japan rezipiert wurde. In Frontstellung: Schaeben & Voss, die Labelgründer selbst (obwohl ihre Platten in aller Regelmäßigkeit bei Kompakt erschienen). Doch als die 2010er Jahre anklopften wurde es plötzlich still: Um den Sound of Cologne, um Firm und um Schaeben & Voss.

Umso erstaunlicher war für viele, als es vor einigen Wochen in den gutunterrichteten Kanälen hieß: Es gibt neue Stücke von Heiko Voss! Damit hatte keiner gerechnet, denn das letzte Album »Two Sides« liegt schon 17 Jahre zurück. »Heute tanzen Kids in den Clubs, die waren gerade erst geboren als das Album erschien. Oh Mann«, erzählt mir Heiko Voss an einem stürmischen Nachmittag am Ehrenfelder Neptunplatz. Recht hat er. Gleichzeitig wirkt er alles andere als altersmüde: »Noch habe ich keine grauen Haare«, sagt er und überspielt die leichte Grauschattierung in seinem Bart. Ob man so nochmal im Club durchstarten kann?

Die Frage stellt sich gar nicht: Die Musik von Heiko Voss überzeugte immer schon mit ihrer Eigenwilligkeit. Es ging damals wie heute um große Emotionen und den perfekten Pop-Sound: »Das Ziel war, die bestmöglichen Songs zu schreiben; ich wollte gucken, was alles geht. Und wollte die Geschichten im klassischen Pop-Song und seinen Möglichkeiten schreiben: Strophe-Refrain-Strophe-Refrain.« Das funktioniere immer noch 1a, sagt er mit Überzeugung. Und tatsächlich: Das Comeback-Album »3:30 minutes to live« macht Spaß — ganz ohne Clubsound. Das habe auch schon bei seinem letzten Album vor fast zwei Dekaden die Leute verwundert: »In den Reviews damals stand: Vorsicht, E-Gitarren-Solos! Oder: Gerade Beats sucht man hier vergeblich.«

Der Erfolg gab ihm recht. Nicht zuletzt hat auch Kompakt-Chef Michael Mayer, der ihn stets unterstützt habe, großen Anteil an dieser Platte: Er schlug vor, die neue Platte auf seinem eigenen Pop-Label »Imara« zu veröffentlichen. Was Voss sehr gut fand, da er »3:30 minutes to live« eben gar nicht im Kontext der Tanzmusik sehe. Was hat es eigentlich mit dem Namen auf sich? Ist es ein weiteres Bekenntnis zum Pop-Song?  »Ich bin ein Kind der Achtziger. Ich weiß noch, wie ich auf der Kirmes Madonna gehört habe. Diese Musik fasziniert mich bis heute.« 3:30 Minuten sind eben die perfekte Länge, so Voss, »fast alle Geschichten kann man so erzählen — und auserzählen.«

Bei so viel Enthusiasmus fragt man sich, warum es so lange still war um ihn: »2012 haben wir das Projekt Schaeben & Voss komplett heruntergefahren. Es kam der Moment, da hat man sich gefragt, wie man weitermachen soll. Während es in den ersten Jahren bei uns hieß: Nächstes Wochenende spielen wir in Paris, yeah!, war es später eher sowas wie: Nächste Woche müssen wir nach Paris ... Wenn man an diesem Punkt ist, sollte man lieber aufhören.« Er fiel vergleichsweise weich, da er seinen Brotjob in der Werbung nie an den Nagel gehangen hatte. Das machte die Entscheidung einfacher damals. Zuvor hatte er mehr als zehn Jahre mit der beruflichen Doppelbelastung gelebt.

Musik spielte aber weiterhin eine Rolle in seinem Leben, aufgehört hat er eigentlich nie. Doch erst 2018 zeichnete sich eine neue Platte ab — der Startschuss war das Stück »Follow your line«: »Ich dachte das erste Mal seit langer Zeit wieder: Das ist ein Sound, der mich interessiert.« Das Studio wurde aufpoliert, schier endlos an Tracks geschraubt und vier Jahre später steht nicht nur ein Album; auch das Live-Geschäft winkt schon wieder. Im Mai steht die Release-Party an, dafür hat er nun eine Band mit Drummer und Bassist. Der »alte Hase« ist ganz uneitel: »Ich bin nach all den Jahren richtig aufgeregt.« Wie sich diese sehr schöne Platte also live anhört, das können wir auch schon bald erleben. Bis dahin heißt es: Noch 3 Minuten 30 …

Tonträger: Heiko Voss, »3:30 minutes to live« (Kompakt), bereits erschienen