Musikhistoriker Wilhelm Tappert (1896), Foto: Wikimedia Commons

Von »Afterkunst« bis »Zwitterding«

1867 veröffentlichte ein glühender Richard Wagner-Fan eine alphabetische Sammlung von Beschimpfungen

Es ist ein kulturgeschichtliches Kuriosum, wie man es nicht alle Tage wiederentdeckt: eine umfangreiche Sammlung spöttischer und gehässiger Zitate über Richard Wagner, den mächtigen Großfürsten der Kunst, zusammengetragen, niedergeschrieben und kommentiert von einem seiner größten Verehrer. 1876 veröffentlichte der zu seiner Zeit bekannte Musikhistoriker Wilhelm Tappert sein »Wörterbuch der Unhöflichkeit«. Mit rührendem Eifer hatte er darin alle groben, höhnenden und verleumderischen Ausdrücke aus der in- und ausländischen Presse, aus Zeitschriften und Büchern gesammelt, die man über dem Haupt des von ihm so hoch verehrten Richard Wagner ausgekübelt hatte.

Fein säuberlich nach Stichworten geordnet und alphabetisch sortiert: Über die »Afterkunst«, mit deren Lärm Richard Wagner die Welt erfüllt, über die »Riesenschreiarbeit«, die ein Opernsänger bei ihm zu verrichten habe, das dramatische »Wischiwaschi« und seine »gereihten und gekreuzten Leitmotive […] wie ein ungeheures Teppichmuster«. Die Sammlung erzählt viel darüber, dass Kritiker — es waren ausschließlich Männer — nicht gerade mit Glacéhandschuhen ihre spitzen Federn führten. Und entbehrt doch nicht einem gewissen tragikomischen Humor, dieser wunderliche Pathos, mit dem ­Wilhelm Tappert als tapferer Streiter für Recht und Gerechtigkeit die Sammlung kommentiert.

»Durch das Gekläff der kleinen Geister, so hoffte er, werde die ­Größe des bewunderten Mannes nur um so entschiedener betont«, schrieb im Vorwort zur Neuausgabe der Verleger Heinz Friedrich. Nun, auch schlechte PR ist eine gute PR, heißt es oft. Richard Wagners Aufstieg zum musikdramatischen Großmeister war keineswegs ein Osterspaziergang. Man darf sich also fragen, worin der eigentliche Reiz dieses Buches liegt: In der Botschaft, dass nur ein unerschütterliches Selbstbewusstsein, allen Anfeindungen zum Trotz, einen den Weg gehen lässt — oder in der rührenden, wenn auch unfreiwilligen Selbstparodie, die Wilhelm Tappert als größter Fan gleich mitliefert. Auf jeden Fall kann die Sammlung als Nachschlagewerk für Beschimpfungen dienen, um der eigenen Wut in diesen Zeiten Luft zu machen.