Karl Heinz Roth: »Blinde Passagiere«

Stadtrevue liest — Buchtipp

Auch in der politischen Linken waren die Ursachen und Folgen der Corona-Krise sowie die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie Gegenstand teils erbitterter Diskussionen. Der Arzt und Sozialhistoriker Karl Heinz Roth legt mit seinem neuen Buch »Blinde ­Passagiere« eine faktenreiche Grundlage für die weitere Debatte vor. Leicht macht er es seinen Leser*innen allerdings nicht unbedingt. Roth fächert ein historisches Panorama auf, das bei der Pest im 14. Jahrhundert beginnt und bei den Folgen der staatlichen Interventionen in die Finanzmärkte der Gegenwart endet.

Dabei zeigt er ­detailliert auf, wie sehr gerade das Gesundheitswesen mittlerweile von den Interessen des Kapitalvermögens geprägt ist. Die Stärke von »Blinde Passagiere« ist jedoch, dass Roth seine Thesen mit wohltuender Differenziertheit ausbreitet. So kritisiert er etwa, dass sich die Weltgesundheitsorganisation WHO auf internationale Impfkampagnen konzentriert habe, stellt jedoch ­deren Wirksamkeit nicht in Frage. Und selbst für seine These, dass die Lockdowns der Jahre 2020 und 2021 vermeidbar  gewesen wären, stellt er Fakten zur Verfügung, die sie wieder hinterfragen — besser kann man Debatten nicht führen.

Antje Kunstmann, 502 Seiten, 30 Euro