Sieht so ein »Paradigmenwechsel« aus? Der Neubau am Deutzer Hafen bleibt von der Erbbau-Regel ausgeschlossen

Ungenutzte Möglichkeiten

Um mehr bezahlbare Wohnungen zu schaffen, sollen Grundstücke zukünftig nach dem Erbbaurecht vergeben werden. Aber der ambitionierte Plan hat Lücken

Hünxe hat es vor kurzem eingeführt, Münster schon lange. Und seit dem 17. März ist es auch in Köln beschlossene Sache. Die Stadt soll eigene Grundstücke für den Wohnungsbau nicht mehr verkaufen, sondern grundsätzlich nur noch Erbbaurechte vergeben. Damit will die Stadt »die steigende Mietpreisentwicklung zumindest für einen Teil der Wohnungen abfedern«, sagt Liegenschaftsdezernent William Wolfgramm, aus dessen Ressort die lang ersehnte Vorlage stammt. Der Rat stimmte zu, gegen die Stimmen von FDP und AfD.

Anders als etwa in Wien, Amsterdam oder Hongkong fristete das Erbbaurecht in deutschen Städten lange ein Schattendasein. Die Idee ist einfach. Der Boden wird nicht wie eine Ware gehandelt. Stattdessen vergibt die öffentliche Hand das Recht, dort zu bauen, bleibt aber Eigentümerin. Der Pächter zahlt einen Zins, der abhängig vom Wert des Grundstücks ist. Zwar kann er das Erbbaurecht verkaufen und beleihen, die Stadt sichert sich aber Zustimmungsrechte. Nach einer festen Laufzeit fallen die Grundstücke an die Stadt zurück. Die Kölner Politik hofft, so die steigenden Bodenpreise zu bremsen. Weitere Beschlüsse speziell für soziokulturelle Projekte und Einfamilienhausgrundstücke sollen folgen.

Bezahlbarer Wohnraum ist das Ziel. Nach dem Beschluss hängt der Zinssatz davon ab, was der Bauherr baut. Er kann ihn von 4 auf 1,5 Prozent senken, wenn er 30 Prozent Sozialwohnungen errichtet und 20 Prozent preisgedämpfte Wohnungen mit Mieten nicht höher als 10 Euro je Quadratmeter. Die Vorgabe zum preisgedämpften Segment, das auf den Bedarf von Haushalten mit mittleren Einkommen zielt, ist neu für Köln.

Im Gegensatz zu den bisherigen Regelungen lassen Erbpachtverträge zu, Mieten deutlich länger festzuschreiben, in Köln künftig für 60 Jahre. In dieser Zeit sollen sie lediglich der Inflation angepasst werden. Sie sollen insgesamt 80 Jahre laufen.

Die Immobilienwirtschaft steht dem Modell inzwischen in weiten Teilen aufgeschlossen gegenüber. Der Haus- und Grundbesitzerverein, der die Einzeleigentümer ­vertritt, übt indes Kritik. Die Regelung träfe vor allem die Mittelschicht. Sie werde sich in Zukunft noch stärker in den Umlandgemeinden nach Eigentum umsehen.


Offen ist, wie effektiv das Erbbaurecht auf die Preise für Immobilien einwirken wird

Im Rathaus ist gleichwohl von einem Paradigmenwechsel die Rede. Offen ist, wie effektiv das Instrument sein wird, um auf die Preise einzuwirken. Die Linke, Klimafreunde und Die Partei hatten den Verzicht auf Ausnahmen gefordert, außerdem 99 Jahre Laufzeit, davon 80 Jahre für die gebundenen Mieten und 9 statt 10 Euro für das preisgedämpfte Segment.

Das größte Manko ist aber: Die Zahl der großen Wohnungsbauprojekte auf städtischem Grund ist überschaubar. Eines davon, der Deutzer Hafen, bleibt von der neuen Regel sogar ausgenommen.

Die 3000 Wohnungen dort werden auf Grundstücken geplant, die der »Modernen Stadt« gehören, eine Tochter der Stadtwerke und der Stadt. Der neue Beschluss betrifft nur Grundstücke, die sich direkt im Eigentum der Stadt befinden.

Michael Weisenstein (Die ­Linke) ärgern die ungenutzten Möglichkeiten. Er bezeichnet den Deutzer Hafen als innenstadtnahes »Schlüsselprojekt«. »Die Stadt kann ihre Macht nur ausüben, wenn sie auch Grundstücke an­zubieten hat«, sagt auch Sascha Gajewski. Er setzt sich mit dem »Mehr-als-Wohnen-Pakt« für eine am Gemeinwohl statt an Renditen orientierte Immobilienentwicklung ein. Im Deutzer Hafen seien zwar Sozialwohnungen und preisgedämpfte Mieten geplant, allerdings nur für 20 Jahre festgeschrieben. Danach drohten »Mietenexplosion und Umwandlung in teures Eigentum«. Aus Wolfgramms Dezernat heißt es auf Anfrage, dass die Ausweisung des Deutzer Hafens als Sanierungsgebiet rechtlich keine andere Wahl lasse, als die Grundstücke zu verkaufen.

Der Ratsbeschluss zur Erbpacht sei grundsätzlich zu verstehen und unabhängig von der Verfügbarkeit städtischer Grundstücke, heißt es ergänzend auf die Frage nach der Effektivität des neuen Instruments. In einer Mitteilung an den Rat stellt Wolfgramm derweil das Potential dar. Demnach wurde im Zeitraum zwischen 2015 und Mitte 2021 mehr als jedes zweite Gewerbegrundstück, das auf den Markt kam, von der Stadt verkauft oder verpachtet. Sie sei damit prägend für die Preise. Bei Wohnungsbaugrundstücken lag ihr Anteil nur etwa bei zehn Prozent. Bemerkenswert: der Grundbesitz der Tochterunternehmen wie »Moderne Stadt« ist in diesen Zahlen eingeschlossen.