Detroit gestern und heute

We Are All Detroit

Ulrike Frankes und Michael Loekens Doku stellt das postindustrielle Bochum und Detroit gegenüber

Armin Laschet beschwört auf dem Podium wieder einmal den Strukturwandel. Anlass gibt ihm die Eröffnung eines gigantischen DHL-Paketverteilzentrums 2019 in Bochum. 50.000 Päckchen pro Stunde sollen hier verteilt werden, sechshundert Menschen eine »zukunftssichere Beschäftigung« bekommen, wie der damalige NRW-Ministerpräsident sagt. Bis 2014 hatten an gleicher Stelle im Opel-Werk Bochum-Laer noch bis zu 20.000 Beschäftigte Autos gefertigt — und in der Pause die umliegenden Gaststätten gefüllt. Nun wird das Gelände unter dem Etikett »Mark 51°7« mit 65 Millionen Euro öffentlicher Förderung als zukünftiger »Schmelztiegel der Wissensakkumulation in der Ermöglicherstadt Bochum« vermarktet, wie es ein anderer Herr im Film sagt.

Im Strukturwandel steckt seit dem Niedergang der US-­amerikanischen Autoindustrie in den 80er Jahren auch die Stadt Detroit. Die Industriearbeit ist auch hier verschwunden. Auch hier gibt es vielerorts Neubeginn. So entstehen neben den Industrieruinen aus Backstein Wohnhäuser in modularer Leichtbauweise. Ein Investor möchte ein hippes Vorzeige-Quartier mit gemischter Nutzung errichten. Eine junge Familie zieht auf den Grünflächen ­eines entvölkerten Wohngebiets Gemüse und verkauft es auf dem florierenden Bauernmarkt.

2006 hatten Ulrike Franke und Michael Loeken in ihrem Film »Losers und Winners« die Demontage einer Dortmunder Kokerei durch eine chinesische Firma über ein Jahr lang dokumentarisch begleitet. Ihr neuer Film »We Are All Detroit« knüpft eine andere globale Beziehung und montiert Orte und Personen um das ehemalige Opel-Werk und im Noch-Trump-Detroit so, dass Gemeinsamkeiten und Unterschiede — vor allem im Verhältnis zwischen staatlichem und privatem Handeln — im Umgang mit den Umbrüchen sichtbar werden. Scheint beim zentralisierten ­Management von »Mark 51°7« am Ende kein Quadratzentimeter Fläche ungestaltet und unverwertet zu bleiben, tun sich in der entvölkerten Millionenstadt vielerorts Nischen auf, die bürgerschaftliche Initia­tive fordern und erlauben. So könnte das deindustrialisierte ­Detroit des Jahres 2019 im Film einen Vorschein alternativer post-indus­trieller Urbanität zeigen. Oder ist das nur ein Hipster-Bluff? Noch ist die Entwicklung in alle Richtungen offen. Deshalb wäre es lohnend, in ein paar Jahren mit der Kamera an beide Orte zurückzukommen. Auch um zu sehen, wie »zukunftssicher« die Jobs bei DHL wirklich waren.

D 2021, R: Ulrike Franke, Michael ­Loeken, 118 Min. Start: 12.5.