Wasser marsch: Mitarbeiter derStadt Köln gießen Bäume an der Merowinger Straße in der Südstadt

Gießkannen for Future

Der Hochsommer ist für Stadtbäume die bedrohlichste Zeit des Jahres. In Köln soll die Bevölkerung helfen, die Bäume zu bewässern

Es ist eine Kleinigkeit, doch Ingo Burbach sieht darin Grundsätzliches. »Viele denken, wir heißen ’Kölle gießt’«, sagt er. »Das wäre prima, weil es bedeuten würde: Köln macht das schon und ich muss nix tun. Es ist aber genau ­andersherum.« Burbach ist der Gründer von »Gießt Kölle«. »Die Initiative ist ein Aufruf an die Stadtgesellschaft, Bäume zu bewässern, bevor es zu spät ist«, so  Burbach. Deshalb »Gießt Kölle« — ein Appell an jede und jeden.

Der Hochsommer ist für Bäume die bedrohlichste Jahreszeit. Hitze und Trockenheit setzen sie unter Stress, vor allem an ohnehin schon schwierigen Strandorten. Die Folgen des Klimawandels in Städten sind stärker geworden, und damit die Probleme von Bäumen. Gleichzeitig sind Bäume im Hochsommer besonders bedeutend für die Menschen in der Stadt. Sie kühlen ihre Umgebung, spenden Schatten, speichern Niederschlag.

Einen Baum zu bewässern, das klingt simpel. Aber so leicht ist es dann eben doch nicht
Ingo Burbach, Gießt Kölle

Ingo Burbach hat Gießt Kölle 2018 gegründet, im ersten von zwei »Jahrhundertsommern«. »Ich wohnte damals in Bickendorf, vor meiner Haustür stand eine Platane, die langsam einging«, sagt Burbach. »Dann war ich sensibilisiert für das Thema.« Burbach kaufte Eimer und startete Gieß-Aktionen an Stand-Rohren, die die Rheinenergie überall in der Stadt freigegeben hatte. »Ursprünglich wollte ich das vier Wochen machen. Daraus wurden acht Wochen, aus acht Wochen vier Jahre.« Heute sind in vielen Veedeln an heißen Tagen Gieß-Gemeinschaften aktiv. »Und wir haben Politik und Verwaltung wachgerüttelt«, so Burbach.

Gerhard Stricker verantwortet beim Grünflächenamt die Bewässerung von Bäumen. Für sein Amt haben zwei Arten von Bäumen besondere Bedeutung: Bäume ohne direkten Bodenanschluss, etwa über einer U-Bahn oder Tiefgarage, und Jungbäume. »Das Hauptaugenmerk bei der Bewässerung liegt auf Jungbäumen«, sagt der Ingenieur. Weil die Böden trockener geworden sind, werden neu ausgepflanzte Bäume mittlerweile bis zu sieben Jahre gewässert und auch in kürzeren Abständen. »Wir müssen mehr tun als noch vor ­einigen Jahren, um die Ausfälle so gering wie möglich zu halten«, sagt Stricker. Dafür nutzt die Stadt nicht nur eigene Gießfahrzeuge und die Unterstützung externer Dienstleister, sondern auch die Hilfe der Bevölkerung. »Sensibilität und Bereitschaft, Bäume zu gießen, sind spätestens seit den Hitzesommern 2018 und 2019 größer geworden«, so Stricker. Vielen Menschen sei bewusst geworden, wie wichtig Bäume und Stadtgrün sind. Die Stadt hat begonnen, das Engagement zu unterstützen, vergibt Baumpatenschaften und verleiht Gießsäcke, die um den Stamm gebunden werden und Wasser abgeben — 2020 waren es rund 900 solcher Säcke, dieses Jahr seit März mehr als 500.

Stricker rät, sich auch beim Gießen auf Jungbäume zu konzentrieren. Beim Altbestand hebt er die Eigenschaft von Straßenbäumen hervor, sich in tiefen und weit entlegenen Bodenschichten zu versorgen. Das macht es allerdings fast unmöglich, die Bäume dort zu bewässern, wo sie das Wasser brauchen. »Wenn man mit einem Eimer zehn Liter Wasser auf eine Baumscheibe schüttet, fließt das Wasser in den meisten Flächen oberflächlich ab«, erklärt Stricker.

Auch Ingo Burbach sagt: »Ich habe Tausende Liter Wasser von A nach B getragen, bis ich eingesehen habe, dass ich an bestimmten Stellen kein Wasser in die Erde ­bekomme.« Einen Baum zu bewässern, das klinge simpel. »Aber so leicht ist es dann eben doch nicht.« Burbach nennt die Bäume entlang der Kölner Ringe als Beispiel: eine kleine Baumscheibe, deren Erde hart ist wie Beton — und drumherum alles befestigte Flächen.

Für den Gieß-Aktivisten hat sich bei der Baum-Bewässerung in den vergangenen Jahren in Köln vieles verbessert. Vor allem im Hochsommer werde es aber immer die Unterstützung der Bevölkerung brauchen. »Ich glaube, es funktioniert in einer großen Stadt nur, wenn man die Bürgerinnen und Bürger einbindet. Aber die Stadt muss ihnen das Wissen und Equipment zur Verfügung stellen.« Ingo Burbach wünscht sich eine groß angelegte Kampagne: »Die Stadt sollte sagen: Liebe ­Bürgerinnen und Bürger, gießt alle fleißig mit, so wird das gemacht und hier bekommt ihr die Hilfsmittel.«