Verunreinigte Debatte

Der Drogenkonsumraum am Neumarkt ist ­Gegenstand von Projektionen

Eigentlich vergeht keine Woche, in der ich es nicht sehe. ­Jemand sitzt auf der Treppe zur U-Bahn, hat eine Alufolie vor oder neben sich, macht sich Drogen warm oder ist nach dem Konsum eingenickt. Vielleicht haben Sie es sich schon gedacht: Ich wohne in der Nähe vom...Wiener Platz.

Wenn nicht, dann haben Sie einfach nur in den letzten Wochen die Kölner Lokalmedien konsumiert. Da war die Drogenszene ständig ein Thema, allerdings die am Neumarkt.

Die Stadt hat dort einen Drogenkonsumraum im Gesundheitsamt eingerichtet. Eröffnet wurde er im Juni, nach einer schier endlosen Auseinandersetzung mit der Bürgerinitiative »Zukunft Neumarkt«. Eben diese Bürgerinitiative beschwert sich nun mit aktiver Unterstützung der Lokalmedien, dass dieser Drogenkonsumraum nicht das liefere, was sie sich von ihm versprochen hat: Die Junkies sollen am Neumarkt und in der Umgebung nicht rumhängen.

Die Polizei Köln geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie behauptet, der Drogenkonsumraum am Neumarkt entfalte eine Sogwirkung. Falls dem so ist, wäre dies ein Novum. Wissenschaftliche Evaluationen von Drogenkonsumräumen in Zürich und Berlin haben keine solche Sogwirkung nachweisen können.


Hoffentlich bleibt den Süchtigen in Kalk und Mülheim eine Debatte wie am Neumarkt erspart

Jedoch folgen Vorstellungen dieser Art eh einer falschen Prämisse. Zweck eines Drogenkonsumraums ist es nicht, Drogensüchtige davon abzuhalten, an einem bestimmten Ort zu konsumieren. Sondern sie sollen eine Möglichkeit erhalten, Drogen hygienisch und unter medizinischer Aufsicht einzunehmen. Außerdem bieten Drogenkonsumräume die Möglichkeit, dass Sozialpsychologische Dienste in Kontakt mit den Süchtigen kommen. Das Ziel ist harm reduction, nicht die ­Befriedung des Stadtraums.

Wie nötig ersteres ist, veranschaulicht die neueste Statistik zu Drogentoten in Köln. 2021 sind nach Angaben des Drogenhilfe-Vereins Vision 74 Menschen an illegalen Drogen ­ge­storben — ein neuer, trauriger Höchststand. Der Verein ­fordert daher neue Drogenkonsumräume für das Kölner Stadtgebiet, um das Risiko verdreckter Spritzen und verun­reinigter Drogen zu senken. In Kalk ist dafür mittlerweile ein Raum gefunden, in Mülheim sollen zwei Busse des Gesundheitsamts eingesetzt werden. Hoffentlich bleibt den dortigen Süchtigen eine Debatte wie am Neumarkt erspart. Denn so unangenehm konsumierende Junkies auf der U-Bahn-Treppe auch sind — immerhin sind sie noch lebendig.