»Mendy« — halb Mensch, halb Handy ­— beim tanz.tausch Festival, © Rodolfo Piazza Pfitscher da Silva

Gegen alle Widrigkeiten

Zehn Jahre tanz.tausch: Die freie Tanzszene bespielt Köln

Bin ich nur ich selbst — oder doch nur das, was man in mir sehen will? Bin ich mehr als ein Körper mit Smartphone? Und ist meine Würde wirklich unantastbar? Große Fragen bringt das Kölner »tanz.tausch«-Festival in dieser Jubiläumsausgabe auf die Bühne. Seit zehn Jahren zeigt das Netzwerk um die beiden Kulturmanagerinnen Mechtild Tellmann und Alexandra Schmidt alljährlich Produktionen der freien Tanzszene in Deutschland, man muss sagen: trotz aller Widrigkeiten. Denn ein Festival ohne strukturelle Förderung — eine Ausnahme ist bislang allein dieses Jahr — durch die scheinbare endlose Zeit der Pandemie zu bringen, ist ein Kraftakt, der sich nur mit viel Begeisterung für das Genre bewältigen lässt. Und die bildet sich auch im Programm ab, das für die, coronabedingt vom Januar auf den Sommer verschobene, Ausgabe kuratiert wurde.

Ein besonderes Format: der »tanz.parcour«, bei dem Tänzer*­innen und Performer*innen ­verschiedene Orte in der Südstadt bespielen. Etwa die maiskind Community, die die Rolandstraße als Ort des Feierns queerer Identitäten zurückerobert, der Tanz-Performance-Film »Mendy« im Café Kult am Chlodwigplatz über die Verschmelzung von Mensch und Handy, und die Performance »The War« anlässlich des Ukraine-Krieges von Olga Drachuk-Mayer im Friedenspark.

In der TanzFaktur stehen ­weitere Stücke auf dem Programm, darunter die holografische Tanzinstallation »De cara a la galeria« von Sara Blasco, das die Zusammenhänge zwischen Schein und Sein, zwischen Selbstdarstellung und Fremdwahrnehmung erforscht. Der Artist Jörg Müller tanzt ein poetisches Solo mit fünf von der Decke hängenden Metallröhren, die, wenn sie sich treffen oder von ihm angeschlagen werden, tönen wie ein Glockenspiel. Und in »Like, really cunt« erzählen fünf Performer*­innen ihre Biografie mittels ­Voguing: reinstes Storytelling, nur mit dem­ ­Körper.

Zum Abschluss wird am Festivalsonntag zum »tanz.kaffee« (TanzFaktur, 14 Uhr) geladen: Bei Kaffee und Kuchen zeigen Choreograf*innen Auszüge aus ihrem Schaffen, erklären ihre künstlerische Herangehensweise und suchen das Gespräch mit dem Publikum. Darunter die Tänzerin Alma Toaspern, die mit ihrem Solo eine sprühende Hommage an die ­Humorlosigkeit liefert, und Kenji Shinohe mit der Performance »K(-A-)O« über das Verschwinden menschlicher Gefühle in der Informationsgesellschaft.

diverse Orte, 16.–21.8., tanztausch.de