Unruhiger Sommer zwischen Paprika und Kürbissen: Eheleute Waskow in ihrem Kleingarten

Falsche Prioritäten

In Raderthal sollen elf Kleingärten bebaut werden. Nun wird die Stadt verklagt

Rot leuchten die Paprika, orange die Kürbisse. Stolz zeigt Klaus Waskow auch seinen Feigenbaum. Zwanzig Jahre Arbeit haben der Rentner  und seine Frau in ihre Parzelle im Kleingärtnerverein Köln-Süd in Raderthal gesteckt. Doch Ende November müssen sie und zehn weitere Pächter raus. Die Stadt hat das Grundstück an einen Investor verkauft, der Flächen an der angrenzenden Bonner Straße besitzt. Mehr als 200 Wohnungen sollen entstehen. Der Rat hatte dem schon 2020 zugestimmt — in nicht-öffentlicher Sitzung, wie bei Grundstücksgeschäften üblich.  

Dann wechselte der Eigentümer, und der Rat musste im Juni erneut über den Verkauf abstimmen. Inzwischen hatten die Pächter von der bevorstehenden Kündigung erfahren. »Wir haben gehofft, dass die Baupläne doch noch gestoppt werden«, sagt Simon ­Burger, Vereinssprecher des KGV Köln-Süd. Der Beschluss laufe der Vereinbarung des Bündnisses von Grünen, CDU und Volt zuwider, Kölns Kleingärten zu erhalten. Zudem habe die Stadt Köln im Oktober 2020 mit dem Kreisverband Kölner Gartenfreunde, dem Mieterverein Köln und dem Ernährungsrat erklärt, dass Kleingartenflächen nicht in Bauland umgewandelt werden dürften. Doch der Rat bestätigte den Verkauf im Juni.

Nun hat der Kleingartenverband eine Kündigungsschutzklage gegen die Stadt eingereicht, unterstützt von BUND und Ernährungsrat. »Welchen Sinn hatte die Ausrufung des Klimanotstands, wenn nun Gartenflächen vernichtet und versiegelt werden«, sagt Helmut Röscheisen vom BUND. Stattdessen müsse man beim Wohnungsbau auf Aufstockung und Verdichtung vorhandener Siedlungsflächen setzen. »Es werden falsche Prioritäten bei der Stadtentwicklung gesetzt«, so ­Simon Burger vom KGV Köln-Süd. Zudem handle sich bei den betroffenen Gärten um einen geschützten baulichen Außenbereich, in dem eine Wohnbebauung nicht ohne weiteres genehmigt werden dürfe. Ob das Gericht dies genauso sieht, ist offen. Bereits im Juli hat Burger die Bezirksregierung als kommunale Aufsichtsbehörde eingeschaltet. Die teilt mit, die Beschwerde werde noch geprüft.

»Der Schutz von Kleingärten steht bei uns sehr weit oben«, sagt Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin. Man habe dem Verkauf vor zwei Jahren zugestimmt, weil man an ihn Bedingungen geknüpft habe: dichtere Bebauung, weniger Versiegelung, mehr geförderten Wohnungsbau. Den Kompromiss hat der damalige grüne Vorsitzende des Liegenschaftsausschusses, Jörg Frank, ausgehandelt. »Für einen Verzicht auf den Wohnungsbau zugunsten der Kleingärten hätten die Grünen keine Mehrheit gefunden, zudem wäre er aufgrund des akuten Wohnungsmangels in Abwägung der öffentlichen Interessen auch nicht vertretbar gewesen«, so Frank. Der neue Eigentümer WvM-Immobilien teilt mit, man werde 140 öffentlich geförderte Studentenapartments, 86 frei finanzierte Wohnungen, eine Kita, einen Spiel- und einen Quartiersplatz errichten. Der Baubeginn ist für Anfang 2024 geplant.

Doch der Kompromiss von 2020 beinhaltete auch, dass die Verwaltung einen »verbindlichen« Ersatz für die wegfallenden Kleingärten schaffen sollte. Die Verwaltung teilt nun mit, man habe sich mit dem Kreisverband Kölner Gartenfreunde darauf geeinigt, dass Ersatzgärten innerhalb desselben Vereins oder »in anderen städtischen Kleingärtenanlagen« bevorzugt angeboten werden sollen. ­»Es muss einen räumlich und zeitlich adäquaten Ersatz für die Pächter geben, andernfalls dürfen die Kleingärten nicht verschwinden«, so Christiane Martin. »Mir hat noch niemand Ersatz angeboten«, sagt Klaus Waskow. Eine schriftliche Kündigung hat er allerdings auch noch nicht erhalten.