Klare Worte von Jenny Krüger: Keine Zeit für Bequemlichkeit

»So können wir auf Dauer nicht arbeiten«

Jenny Krüger ist Geschäftsführerin des »Edimotion Festival für Filmschnitt und Montagekunst«. Sie spricht über fehlende Fördergelder, die Rolle des Kulturdezernenten und den »Appell zur Rettung der Kölner Filmszene«

Frau Krüger, Sie haben einen »Appell zur Rettung der Kölner Filmszene« an die Oberbürgermeisterin und den Rat der Stadt gerichtet. Das klingt dramatisch, was genau ist in Gefahr?

Es betrifft noch andere, aber den Appell haben die beiden Festivals Edimotion und Soundtrack Cologne sowie das Filmbüro NW initiiert. Diese drei Institutionen, die es bereits seit vielen Jahren gibt, werden aus der Wirtschaftsförderung der Stadt Köln bezahlt. Die war früher bei der Stabsstelle für Medien angesiedelt, die 2019 abgeschafft und in die Köln Business GmbH umgewandelt wurde. Seither kamen die Fördergelder für uns von dort. Doch im vorletzten Jahr hat Köln Business angekündigt, die Förderung einzustellen. Weil sie verstärkt, so ist mein Stand, Start-ups fördern wollen. Anschubfinanzierungen für neue Projekte also, aber weniger Finanzierung für bereits bestehende Einrichtungen.

Gilt dieser Förderstopp mit sofortiger Wirkung?

Für das laufende Jahr wurde noch einmal eine Zwischenlösung gefunden, Köln Business hat erklärt, dieses Jahr noch einmal zu zahlen, aber ab 2023 die Förderung einzustellen. Das Geld geht leider auch nicht zurück ans Kulturamt, das ja auch die Möglichkeit hätte, Förderungen an uns zahlen. Alle drei Institutionen sind ja gewissermaßen Mischwesen, mit Edimotion haben wir ein Festival, das sehr viel Branchenpublikum hat, weil wir auf ein Gewerk — die Filmmontage — fokussiert sind. Aber natürlich sind wir auch ein Festival für den kulturellen Film. Gleiches gilt für Soundtrack Cologne. Doch das Kulturamt sagt, es hätte das Geld nicht, weil die Stadt kein neues Geld bereitstellt. Und das bisherige Geld liegt bei Köln Business.

Von welchen Summen sprechen wir?

Es geht jetzt nicht um wahnsinnige Summen, bei uns sind es 20.000 Euro, aber das sind zehn Prozent unseres ohnehin knappen Budgets.

Der Appell hat ein großes Echo ausgelöst, zu den Erstunterzeichner:innen gehören der Regisseur Andres Veiel, Barbara Hennings, die Professorin an der Internationalen Filmschule ist, sowie die Schauspieler:innen Katharina Schüttler und Daniel Brühl. Gibt es bereits Reaktionen der Adressaten?

Es gibt erste Reaktionen. Aus dem Kulturamt wurde uns mitgeteilt, dass es Gespräche zwischen Verwaltung und Politik gebe. Das ist bisher die einzige Info, die wir haben, und wir wissen nicht, was das bedeutet. Das ist natürlich nicht zufriedenstellend. Was wir auch nicht wollen, ist eine weitere Zwischenlösung für ein Jahr, denn so können wir auf Dauer nicht arbeiten. Wir wollen auch nicht, dass jetzt anderen Festivals und Veranstaltungen die Mittel gekürzt werden, damit ein bisschen Geld für alle da ist. Wir wünschen uns ein tragfähiges Förderkonzept für die gesamte Filmkultur.

Wir könnte das konkret aussehen?

Konkret muss im Haushalt, der jetzt für die nächsten zwei Jahre beschlossen wird, Geld eingestellt werden für unsere Institutionen. Generell ist unsere Sparte unterfinanziert, gerade mal 0,2 Prozent des Kölner Kulturetats werden für die Förderung der Filmkultur ausgegeben. Jetzt erleben wir eine Energiekrise, nachdem wir bereits eine schwere Krise durch die Pandemie hatten — und wir haben nicht den Eindruck, dass die Stadt ein Konzept hat, um auf diese Herausforderungen zu reagieren. Neben dem banalen Wunsch nach Geld ist bei uns eben auch der Wunsch nach Gesprächen vorhanden, wie es weitergehen kann.

Seit einem Jahr ist mit Stefan Charles ein neuer Kulturdezernent im Amt. Ist er nicht der richtige Ansprechpartner?

Mit Stefan Charles haben wir bereits gesprochen. Bislang hatten wir nicht den Eindruck, dass Film und Kino zentrale Bestandteile seiner Vision für die Kölner Kulturlandschaft sind. Wir hoffen aber natürlich, dass das täuscht und wir ihn von der Bedeutung der Filmkultur für die Stadt überzeugen können. Wenn am 10. November der Haushalt verabschiedet wird und Sie nicht berücksichtigt werden, welche Konsequenzen hätte das? Für uns wäre das existenzbedrohend, weil ich nicht weiß, wo ich dieses Geld einsparen kann. Unsere Honorare sind bereits am untersten Limit, und am Programm kann ich wenig sparen, da wir ja noch andere Förderer haben, die das Programm, so wie es ist, haben wollen und nicht als halbes Programm. Die würden abspringen oder ihre Förderung kürzen. Wir und auch das Filmbüro NW müssten dann auf jeden Fall auch wieder aus dem Filmhaus an der Maybachstraße ausziehen, weil die Mieten aufgrund der hohen Nebenkosten hier im Vergleich zum Kölner Durchschnitt nicht günstig sind. Das wiederum wäre fürs Filmhaus schlecht, wenn gleich zwei Mieter ausziehen. Deshalb ist auch das Filmhaus in unsere Initiative involviert, da es ein Interesse hat, seine Mieter nicht zu verlieren. Denn das würde die Finanzen des Hauses potenziell in Schieflage bringen.

Hat sich diese Entwicklung nicht schon mit der Abschaffung der Stabsstelle Medien 2019 angekündigt?

Nein, uns wurde seinerzeit vermittelt, dass sie Fördergelder zwar an die Köln Business GmbH gehen, für uns aber alles bleiben würde wie zuvor. Diese Entwicklung haben wir nicht kommen sehen. Wir sind von der Stadt Köln ja immer sehr stark unterstützt worden, namentlich von Andreas Füser bei der Stabsstelle Medien, der ein großer Unterstützer unseres Festivals und der Filmkultur war. Er war derjenige, der unser Festival vor zwanzig Jahren von Lünen nach Köln geholt hat und bei dem wir uns immer gut aufgehoben fühlten.

Warum der Appell zum jetzigen Zeitpunkt, was war der Auslöser, diesen Brandbrief aufzusetzen?

Der ausschlaggebende Punkt war, dass wir im September in einem Gespräch mit dem Aufsichtsrat der Köln Business erfahren haben, dass im Haushaltsplanentwurf für unsere Festivals und das Filmbüro exakt null Euro eingestellt sind. Und weil wir in allen weiteren Gesprächen zwar Mitgefühl geerntet haben, aber nicht das Gefühl hatten, dass eine konkrete Lösung bevorsteht. Wir wollten die Öffentlichkeit auf die Situation aufmerksam machen. Damit wir wenigstens nicht still und heimlich verschwinden.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass es dazu nicht kommen wird?

Ich bin vorsichtig optimistisch, dass eine Lösung gefunden wird. Aber ob eine langfristige Lösung gefunden wird, die nicht zu Lasten unserer Mit-Festivals geht, da bin ich nicht so zuversichtlich. Ich fürchte, dass am Ende alle weniger haben.

Initiator des Appells ist KINOaktiv e.V., in dem die freie Filmkulturszene organisiert ist. Veröffentlicht ist er auf filmszene.koeln/appell-zur-rettung-der-koelner-filmszene

Dort findet man einen Link, um den Appell zu unterschreiben. Die Initiator:innen planen, ihn der Ober­bürgermeisterin mit den bis dahin gesammelten Stimmen vor der Rats­sitzung am 10.11.22 zu übergeben.