Liegewiesen sind vor ihnen nicht sicher: Nilgänse in Köln; Foto: Dörthe Boxberg

Gans schön schwierig

Kot, Lärm und Gefahren für den Straßenverkehr: Köln hat ein »Gänseproblem«. Nun will die Stadt Maßnahmen dagegen ergreifen

F­ür Gänse ist das Jahresende keine angenehme Zeit. Laut Statistischem Landesamt wurden allein in NRW im vierten Quartal 2021 knapp 25.000 Gänse geschlachtet. Die allermeisten landeten als »Weihnachtsgans« auf dem Teller. Das aber war nicht der Grund, ­warum die Tiere im Herbst im ­Kölner Umweltausschuss Thema waren. Viel­mehr stellte dort ein externes Planungsbüro seine »Managementkonzeption für den Gänsebestand auf innerstädtischen Gewässern im Kölner Stadtgebiet« vor. Ein 70-seitiges Gutachten gibt Empfehlungen, wie Köln sein »Gänseproblem« in den Griff bekommen könnte. Voraussichtlich im Frühjahr, noch vor der nächsten Brutzeit, die im Mai beginnt, soll nun der Ausschuss darüber entscheiden.

In den vergangenen Jahren haben sich Beschwerden aus der Bevölkerung über Wildgänse gehäuft. Sie betrafen vor allem die Hinterlassenschaften der Tiere auf Liegewiesen, aber auch den Lärm, für den sie in den Morgenstunden sorgen. Bisweilen sind die Tiere zudem aggressiv gegenüber Menschen sowie Hunden und gefährden den Verkehr. Ziel der Stadt Köln ist, solche »lokalen Konflikte«, wie sie auch in Düsseldorf und Frankfurt auftauchen, »zu minimieren«. Die Stadtverwaltung strebt eine Koexistenz von Mensch und Tier an. Es gehe nicht darum, heißt es aus der Stadtverwaltung, die Gänse in Köln auszurotten. Stattdessen dienten die Maßnahmen auch dazu, lokale Überpo­pulationen, die durch Fütterungen entstanden sind und in der Natur nicht ausreichend Nahrung finden, aufzulösen — auch zum Wohl der Gänse.

Grundlage für die Maßnahme ist eine Zählung der drei heimischen Wildgänsearten in den beiden Vorjahren. Unter den knapp 500 Tieren im Umfeld von 14 innerstädtischen Gewässern machte das Gutachten die Kanadagans als dominierende Art aus. Weit mehr als die Hälfte der Wildgänse in Köln geht auf die nordamerikanischen Neozoen zurück. Die zweite geläufige Art ist die Nilgans, zu vernachlässigen sind die wenigen Graugänse im Stadtgebiet.


Dass Neozoen wie Gänse hier sind, hat ­anthropogene Ursachen. Und plötzlich will der Mensch die Tiere wieder loswerden

Das Management von Gänsebeständen gilt als schwierig. Durch Zu- und Abzug verändert sich die Größe der Population über das Jahr stetig und mitunter stark. Zudem verhalten sich die Arten sehr unterschiedlich, nicht zuletzt bei der Brut. »Das Thema ist komplex«, sagt Achim Kemper. Der Ornithologe aus Köln ist ehren­amtlich für die Vogelschutzwarte NRW tätig. »Trotzdem kann man die Population durch geeignete Maßnahmen zumindest zum Stag­nieren bringen.«

Die innerstädtische Gänsejagd gehört nicht dazu, was auch rechtliche Gründe hat. Unabhängig davon sähen »manche Teile der Bevölkerung die tierschutz-rechtlichen Belange als höherwertig« an, heißt es aus der Stadtverwaltung. Stattdessen empfiehlt das externe Gutachten Verwaltung und Politik vor allem drei Strategien: die Durchsetzung eines Fütterungsverbots, das sogenannte Gelegemanagement sowie eine gezielte Ausgestaltung der Habitate der Wildgänse. Vor allem das Füttern gilt als Ursache und Lösung des Problems gleichermaßen. »Die Gewässer in der Kölner Innenstadt sind ideal für Wasservögel, was nicht zuletzt am Zufüttern liegt«, sagt Vogelexperte Kemper. Das aber hat Folgen: Gänsen stehe nicht nur mehr Nahrung zur Verfügung, als die Natur für sie vorsieht, »die Tiere verlieren auch ihre Wildheit und Fluchtdistanz«. Zwar ist das Füttern der Tiere schon heute verboten, künftig soll es aber vom Ordnungsamt strikter kontrolliert werden. Außerdem sollen in der Brutzeit den Nestern an Mediapark, Aachener Weiher samt Lindenthaler Kanäle und Stadtwald sowie Volksgarten jeweils alle Eier bis auf eines entnommen werden. Dadurch sinkt der Bruterfolg, ohne dass Jung­tiere sterben.

Achim Kemper von der Vogelschutzwarte NRW glaubt, dass die Maßnahmen helfen könnten, die Popu­lation an Wildgänsen zumindest nicht wachsen zu lassen. Er plädiert für ein besseres Verständnis für das Miteinander von Mensch und Tier in der Stadt. »Dass Neozoen wie Gänse überhaupt hier sind, hat ­anthropogene Ursachen. Und plötzlich will der Mensch die Tiere wieder loswerden«, sagt Kem­per. »Das ist moralisch falsch — und das wird auch nicht funktionieren.«