Bearbeitet ihr Instrument: Cellistin Elisabeth Coudoux

Schluss damit!

In der Orangerie zeigt(e) »Eine wütende Frau« den Zorn als politische Strategie und wütende Hoffnung

Am Anfang tut es weh: Der Anblick der drei Performerinnen in schwarzer Kleidung, die Kapuzen tief in die Gesichter gezogen, wie sie mit ihrer Wut kämpfen. Man kennt es. Dieses Nicht-Rauslassen des Zorns, der sich am Körper abzeichnet: Man kratzt sich, will schreien und kann nicht, windet sich stumm im Bett oder übt Sätze, die man doch niemals sagt.

Am Anfang tut es weh, dieses fehlende Ventil für Wut, sozialisiert über Generationen, weil: »Als Frau bringt man besser keinen Zorn zum Ausdruck, denn das wirkt bedrohlich«, sagt die Autorin Chimamanda Ngozi Adichie.

Dabei gäbe es so viele Gründe: Auf der Bühne in der Orangerie nennen die Schauspielerinnen Lisa Sophie Kusz und Elisabeth Pleß einige. »Alle 28 Stunden versucht ein Mann ›seine‹ Frau zu ­töten.« Oder: »Jede siebte Frau wird Opfer schwerer sexualisierter Gewalt.« Zahlen des Bundeskriminalamtes.

Was dann folgt, ist reinste Körperanarchie, rund eine ganze Stunde lang. Es gibt wenig Eindringlicheres, Intimeres, was in den vergangenen Monaten in Köln auf die Bühne gekommen ist. Wild und ungestüm treten und schlagen die beiden Performerinnen in die Luft, ewig lang, bis ihnen der Atem fehlt, Cellistin Elisabeth Coudoux bearbeitet ihr Instrument und presst selbst aus einen metallenen Drehhocker mit ihrem Bogen hell klingende Töne heraus. Die ausdrucksstarke ­Autonomie schafft Verbündung, und, ehrlich gesagt, man muss sich in alle drei vom Fleck weg verlieben: »So dumb. So weak. So lonely«, singen sie und räkeln sich in Popstar-Manier auf dem Boden, nur um eine Minute später aufzustehen, mutig in den Lichtkegel eines Scheinwerfers zu treten, und von einer übergriffigen Erfahrungen zu erzählen.

»Eine wütende Frau« ist ein politisches Stück auf einer fast leeren Bühne, eines, das sich über Zustände lustig macht, auf eine Weise, bei der das Lachen im Hals stecken bleibt. Etwa bei der »Geburtsszene mit Kunstblut«, in der eine völlig verunsicherte Assistenz­ärztin einen Dammriss nähen soll, bis der Cowboy-Oberarzt kommt und sich die Nadel schlussendlich wie einen Revolver auspustet.

»75 Prozent aller Entschuldigungen stammen von Frauen«, ­zitieren die Performerinnen  und fordern auf: Schluss damit! Seid wütend und vor allem — nutzt die Wut als politische Strategie. Weil sie Verpflichtung ist, und Eigenliebe und soziale Verantwortung.

Notiz: Leider keine Spieltermine im Dezember in Köln. Wir fanden das Stück trotzdem wichtig!