Gehört längst zum kölschen Karneval: Luigi aus dem Umland

Op kölsche Art

Das Chaos vom 11.11. zeigt, wie überfordert die Stadt vom Ansturm der Jecken ist. An Weiberfastnacht kommen sie wieder

Aleke Schücking kann so schnell nichts erschüttern. Wenn abends wieder viele Menschen am Aachener Weiher waren, macht die Mitgründerin der Initiative »Wasservogel Freunde Köln« dort reine. Sie sammelt Scherben, fischt Flaschen aus dem Wasser, um den Vögeln ihren Lebensraum zu erhalten. »Was man nach Partys vorfindet, ist immer deprimierend«, sagt Schücking. »Aber so was wie nach dem 11.11. habe ich noch nie gesehen.« Überall hätten sich Müllberge aufgetürmt und zerschlagene Flaschen gelegen. »Im Wasser habe ich alleine mehr als 150 Flaschen gezählt. Mich hat der Schlag getroffen.« Auch einige Hundert Meter entfernt vom Party-­Hotspot im Kwartier Latäng hatten die Jecken für Verwüstung ­gesorgt.

Es waren nicht die einzigen Nachwehen des Karnevalsauftakts. Um das Kwartier Latäng und die Zülpicher Straße spielten sich chaotische Szenen ab. Die abgesperrte Feiermeile — durch einen einzigen Eingang am Bahnhof Süd zugänglich — war bereits am Mittag voll. Trotzdem drängten weiterhin Zehntausende Menschen auf die Zülpicher Straße und durchbrachen teilweise die Absperrungen. Dem überforderten Sicherheitsdienst der Stadt sprang eine weitere Hundertschaft der Polizei bei. Das verhinderte Schlimmeres, womöglich gar eine Massenpanik. Außerdem legten die Jecken die KVB lahm: Ab nachmittags bis weit in die Nacht fuhren innenstädtisch keine Bahnen.

Überraschend war all das nicht. Es war ein Freitag und seit drei Jahren der erste Sessionsauftakt fast ohne Corona-Schutzmaßnahmen. Das Sicherheitskonzept von Stadtdirektorin Andrea Blome war schon zuvor unter anderem von der IG Kölner Gastro kritisiert worden, vor allem, weil nur ein einziger Zugang zur Feiermeile auf der Zülpicher Straße vorgesehen war. Die Gastro-Lobby fürchtete ein Nadelöhr — und behielt Recht.

Während die letzten Jecken noch durch Köln torkelten, begann in Verwaltung und Politik die Aufarbeitung — und die Suche nach Schuldigen. Zweieinhalb Wochen später legte die Stadtverwaltung ihre Analyse vor. OB Henriette Reker und Stadtdirektorin Blome relativierten das Chaos. Man sei froh, dass nichts Schlimmes passiert sei und werde nun schauen, wie man die Konzepte bis zum Straßenkarneval im Februar »weiter verbessern« könne. Blome nahm zudem das Festkomitee in die Pflicht.

Am »Runden Tisch Straßenkarneval« saßen Anfang Dezember wieder Vertreter von Verwaltung, Politik, Karneval, Polizei und Gastronomie beisammen. Das Gremium wurde nach den Exzessen am Elften im Elften 2017 gegründet, die Erfolge sind bescheiden. Im Stadtrat beschloss das Ratsbündnis von Grünen, CDU und Volt mit der Linken, dass »schnell neue Ideen erdacht und dann umgesetzt werden müssen«. Nun sollen »Ausgleichsflächen« und »dezentrale Angebote« den nächsten Ansturm an Weiberfastnacht abmildern und »für die Zielgruppe der unter 30-Jährigen sollen attraktive Angebote geschaffen werden, um gemeinsam Karneval zu erschwinglichen Preisen auch unter freiem Himmel feiern zu können«. Die Uni-Wiesen sind die bevorzugte Lösung der Stadtverwaltung und auch einer politischen Mehrheit im Rat. Naturschützer sind alarmiert. Das Kölner Grünsystem dürfe in Umfang und vielfältiger Wirksamkeit nicht beeinträchtigt werden, so der Nabu. Zudem bleibt die Frage, wer bei solchen Massen-Events, wo auch immer sie veranstaltet werden sollen, juristisch Verantwortung für Zehntausende Besoffene übernimmt. Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn hat einen Umzug durch die Innenstadt ins Spiel gebracht, um das Zülpicher Viertel zu entlasten. Einige Gastronomen schlugen ein Karnevalsfest vom Friesenplatz über Rudolfplatz bis hinauf zum Neumarkt vor.

Das eigentliche Problem wird nicht in den Blick genommen: Über all die Jahre, in denen sich die Exzesse häuften, hieß es,  dass junge Menschen nach Köln kämen, die »unseren Karneval« nicht verstünden. Aber Köln hat die Menschen ja mit seinem Image und Kampagnen angelockt — und dann alles laufen lassen. Nun sind die Auswüchse nicht mehr ein­zuhegen. Man kann nur noch das Schlimmste verhindern.

Am 16. Februar ist Weiberfastnacht. Exakt einen Monat vorher tagt der Hauptausschuss des Stadtrats, um letzte Maßnahmen für den zu erwartenden Ansturm zu beschließen. Die Zeit wird kaum ausreichen.