Sie weiß, wie es geht: Uta M. Reindl; Foto: Lucian Reindl

Keine Gruppe von Affen

Ein Kunstkritiker*innen-Gespräch zum Band »HOW TO … be an art critic«

Die 1951 in Köln geborene Kritikerin Uta M. Reindl schreibt nicht erst seit gestern über Künstler*innen, Museen und Ausstellungen. Nach Jahrzehnten im Geschäft steht sie eisern ein für die Unabhängigkeit der Kunstkritik, für Lösungen zum legendären Prekariat der Kritiker*innen.

Zynismus scheint ihr fremd. Die Bedeutung der Kunstkritik, die in Zeiten von Algorithmen und Instagram allenthalben diskutiert wird, ist bei ihr unverhandelbar. Nicht ohne Grund ist sie die Vizepräsidentin der deutschen Sektion der AICA (Association Internationale des Critiques d’Art), dem weltweiten Zusammenschluss der Kunstkritiker*innen. Einen Posten, den sie bald ­abgibt. Bis dahin wird aber flink nochmal resümiert: Ihre Erfahrungen, genauso wie aktuelle Gedanken zum Berufsfeld bilden das Fundament für einen kleinen Band, der im Kölner Verlag Strze­lecki Books ­erscheint: Ein A–Z ­zum Thema Kunstkritik.

Frau Reindl, Sie sind für etliche Organe tätig, unter anderem für die Stadtrevue. Nun liegt ein Buch vor, nicht mit Ihren gesammelten Kritiken, sondern ein How-To-»Ratgeber« zum Thema Kunstkritik. Was war die Motivation hinter diesem eigenwilligen Format?

Meine Eltern hatten beide einen Volksschulabschluss gemacht; mein Vater wurde Maler­meister, meine Mutter Hausfrau. Und dennoch war besonders meine Mutter sehr an Bildung interessiert und las uns beim Essen gerne die Rezensionen aus der Zeit vor. Das war für mich prägend. Die Erfahrung, dass sogenannte einfache Leute Kritiken lesen und sich weiterbilden, die scheint es heute eher selten zu geben. Mir geht es darum, dass der Kritiker als Rolle erhalten bleibt.

Was führte zum Band?

Carmen Strzelecki, die Verlegerin, war auf  einer Veranstaltung im Kunstverein mit einem Stand vertreten. Da sah ich »HOW TO … play Fußball« und sagte gleich: Da fehlt doch »HOW TO ... be an art critic«. Ich finde nämlich, dass man unterhaltsamer über Kunstkritik reden kann, als es meistens getan wird. Der Begriff Kritik klingt an sich hochtrabend.


Die Kritiken sind doch oft eher beschreibend, denn wirklich kritisch
Uta M. Reindl

Das Büchlein hat nicht den Anspruch, allgemeingültige Aussagen zu treffen. Permanent findet man Verhandlungen mit Ihnen selbst. Hatten Sie das Gefühl, dass die Leser*innen das auch alles ganz anders sehen könnten?

Selbstverständlich. Aber mit dieser enzyklo­pädische A-Z-Struktur geht eine aufschlussreiche Nicht-Linearität im Erzählen einher, nicht zuletzt mit einem satirischen Unterton. Man schaut manchmal nur für einen Augenblick auf ein Thema und zieht dann schon weiter.

Bei der Diskussion um das unsägliche Bild »Der Anbräuner« von Neo Rauch, dass den Kritikerkollegen Wolfgang Ullrich als kotenden Möchtegern-Künstler diffamierte, merkte man, wie ungemein schnell der oder die Kritisierende als Denunziant*in dargestellt werden kann...

Von Gabriel Cornelius von Max gibt es ein Gemälde mit »Affen als Kunstrichter« von 1889, was Kritiker*innen in entsprechender Pose und sehr verdächtig darstellt. Unter anderem, weil sie Wissen besitzen und deswegen den Künstler und seine Kunst hinterfragen können. Sie gelten da­­durch einerseits als Gefahr, werden vor allem aber als nicht ernstzunehmend wahrgenommen.

Wie sieht für Sie die Zukunft der Kunstkritik aus?

Der allgemeine Tenor scheint zu sein: Welche Funktion hat die Kritik überhaupt noch, wenn Memes und Blogger im Netz pointierter arbeiten als wir? Ich sehe das anders. Ich glaube, es ist die gleiche Leier, die auch zum Ende des Prints angestimmt wird. Daran glaube ich auch nicht, ob­wohl es seit langem behauptet wird. Vielleicht gibt es heute noch Familien, wo die Mutter die Rezensionen vorliest und man dann zusammen in die Ausstellung geht.

Welche Gefahren lauern wirklich?

Ich habe gehört, dass die Stuttgarter Tageszeitungen planen, ihre Ressorts aufzulösen. Da soll es nur noch Themenschwerpunkte geben. Damit öffnet man der Be­lie­bigkeit Tür und Tor. Dann schreiben plötzlich Leute ohne Fachwissen über Kunst, zum Beispiel. Das wäre dann wirklich ein Problem, das unser Feld aushöhlen könnte. Die Tendenz ist heute nicht zu übersehen: Die Kritiken sind doch oft eher beschreibend, denn wirklich kritisch.

Da man immer auf einer »high note« enden soll — welche Ausstellung hat Sie zuletzt begeistert und Sie in der Berufswahl bestätigt?

Die Erweiterung des Quadrat Bottrop ist da zu nennen. Der alte Museumsbau im international style ist an sich schon toll, nun ermöglicht der Anbau eine eindrückliche ­Präsentation der Malerei von Josef Albers.

Uta M. Reindl, HOW TO… be an art ­critic, Strzelecki Books, 72 Seiten, 9,80 €