Melodramatik und Porno: Shakespeares »Phaedra«; © Birgit Hupfeld

Melodram im Vorgarten

Ersan Mondtags Playmobil-Phaedra mit Benny Claessens am Schauspiel Köln

»Phaedra« ist die Geschichte eines brutalen, etwas wirren Stellvertreterkriegs unter Göttinnen. Im Depot 1 versetzt Regisseur Ersan Mondtag diesen in eine amerikanische Vorstadtkulisse — ein Ort, den zu fürchten uns die Popkultur lehrt. Die Häuser erinnern an Playmobil, statt eines Kinds lenkt aber Göttin Aphrodite die (Spiel-)Figuren. Sie ist wütend, weil der junge Hippolytos nicht sie, sondern Artemis verehrt. Also lässt sie einen Liebeszauber auf dessen Stiefmutter Phaedra los: Die verliebt sich fremdgesteuert in ihren Schwiegersohn — und das wird blutig enden.

Über diesen Plot, das Frauenbild und generell das Theater als Reproduktionsmaschinerie für Klischees schimpfen die Figuren selbst lautstark, in der Neufassung von Chefdramaturg Thomas Jonigk. Das liegt im Trend: Die ewigen Vergewaltigungen und Übergriffe, die rassistischen, frauenverachtenden, heteronormativen Darstellungen im Dramenkanon werden in den letzten Jahren auf den Bühnen endlich als solche benannt und angeprangert. In Köln zuletzt in der klugen Shakespeare-Überschreibung »Richard Drei« von Katja Brunner. An die reicht Jonigks Text nicht heran, missglückte Metaphern, wie die, von der »Schönheitsverblödung als Luxusweib«, die sich »in Phaedra spreizt«, sind kein Einzelfall.

Der Text geht in der Regie von Ersan Mondtag dann aber eh oft unter. Der 1987 geborene Regisseur, der in Köln zuletzt mit »Die Räuber« und »Die Verdammten« zu sehen war, zelebriert Trash, Persiflage, Kalauer, Melodramatik und ein bisschen Porno, ohne damit allerdings erkennbar etwas erzählen zu wollen. Phaedra, gespielt vom belgischen Bühnen-Allstar Benny Claessens und deren Vertraute Oenone (Lola Klamroth) werden zu dauerkoksenden Luxus-Proleten. Benjamin Höppners Theseus tritt als heimlich schwuler Vietnam-Heimkehrer auf. Die textkritischen Kommentare der Figuren wirken darin eher wie Feigenblätter für ein bisschen Wokeness.

Die Inszenierung mündet, ­abweichend vom Text, in einem Massaker, das neben Phaedra nur die Chronistin des Abends, Margot Gödrös überlebt. Als Nachbarin mit Rollator und Fernglas hatte sie bis dahin trocken das Geschehen kommentiert. Der eher beliebig wirkende Abend endet überraschend mit einer leisen Verbeugung vor einer beeindruckenden Schauspielerin.