Chaos im Reallabor

Der missglückte Verkehrsversuch auf der ­Venloer Straße gefährdet die Mobilitätswende

Seit Ende November läuft auf der Venloer Straße ein »Verkehrsversuch«. Auf knapp 800 Metern zwischen Ehrenfeldgürtel und Franz-Geuer-Straße wurde ein sogenannter verkehrsberuhigter Geschäftsbereich eingerichtet. Das hatte der Verkehrs­ausschuss Ende 2021 beschlossen, um Autoverkehr und Unfallrisiko zu reduzieren. Nun gilt Tempo 20 und rechts-vor-links. Radfahrer sollen nicht mehr auf Schutzstreifen fahren, sondern sich die Fahrbahn mit Autofahrern teilen. Fußgänger sollen die Straße ohne Ampeln und Zebrastreifen queren. Das ist die Theorie.

Die Praxis ist Chaos. Autofahrer sind oft zu schnell unterwegs und überholen Radfahrer. Fahrradfahrer ziehen nach wie vor auf den Schutzstreifen rechts an Autos vorbei. Und Fußgänger suchen nach Lücken, um unversehrt von einer Straßenseite auf die andere zu kommen. Was erlaubt ist und was nicht, scheinen viele nicht zu wissen. Die Konfusion ist groß, der Furor noch größer. Und gefährlich für Leib und ­Leben ist es auch.

Ein Grund für das Wirrwarr ist, wie die Maßnahmen eingeführt wurden. Zu Beginn des Verkehrsversuchs änderte sich die Lage auf der Venloer Straße fast täglich. Erst wurden die Ampeln ausgeschaltet und die Zebrastreifen überklebt, bloß ­einer nicht. Später wurde eine Ampel wieder in Betrieb genommen, eine andere durch Einengungen ersetzt. Die fanden sich plötzlich auch an anderen Stellen, um die Breite der Fahrbahn zu verringern. Die Zebrastreifen kehrten irgendwann ­zurück, nun waren sie orangefarbig. Mit derselben Farbe waren die Fahrrad-Piktogramme am Fahrbahnrand durchkreuzt worden, der rote Schutzstreifen selbst aber blieb. Und nachdem der Verkehrsversuch längst lief, wurden Fahnen und weitere Schilder mit Hinweisen aufgehängt.

Viele Kölnerinnen und Kölner müssen — das haben jüngst auch die Debatten um eine autofreie Ehrenstraße und Deutzer Freiheit gezeigt — von einem zukunftsfähigen Stadtverkehr noch überzeugt werden. Etwa, indem sie erleben, welche Vorteile er bietet. Jeder Verkehrsversuch ist also eine Möglichkeit, Vertrauen in die Mobilitätswende zu schaffen. Diese Chance hat man auf der Venloer Straße vorerst vertan. Im Herbst soll der zweite Teil des Verkehrsversuchs beginnen und die

Straße zur Einbahnstraße in Richtung Innenstadt werden. Mit dieser Chance sollte die Verwaltung pfleglicher umgehen.