Im Keller

Das Theater der Keller versucht nach einem Skandal um veruntreute Gelder den Neustart. Doch nicht alle sind mit dem Vorgehen einverstanden

Das Theater der Keller ist das ältes­te, bekannteste und nach Ansicht vieler auch beste private Theater Kölns. Doch sein Ruf steht auf dem Spiel: Vergangenen Herbst wurde der langjährige Vorsitzende des Trägervereins, Ulrich Wackerhagen, vom Amtsgericht Köln wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Wacker­hagen, langjähriger kulturpolitischer Sprecher der FDP, hatte Geld eines Spenden­kontos für private Zwecke missbraucht.

Inzwischen hat Ralph Elster, kulturpolitischer Sprecher der CDU, den Vorsitz übernommen. Elster, auch Bürgermeister der Stadt und bestens vernetzt, versucht, Ordnung in die Finanzen zu bringen und Fördergeber bei der Stange zu halten. Doch es gibt Stimmen, die ­sagen: Aufgeklärt sei da noch gar nichts, vor allem nicht die Rolle von ­Elster selbst, der zum Zeitpunkt der Veruntreuung Schatzmeister des Vereins war. Warum dies kein ­Thema gewesen sei? Darüber wundern sich viele ­— in der Kulturpolitik und auch in Teilen der CDU.

Das Theater hatte seinen Sitz jahrzehntelang in der Südstadt. Mehrfach stand es kurz vor der Insolvenz und musste entschuldet werden; teils, so hört man, auf Kosten anderer freier Theater, die Fördermittel abgeben mussten. Wackerhagen kümmerte sich viele Jahre um die Fördermittel — anderes scheint ihm lästig geworden zu sein. Seit 2016 hatte es keine Mitgliederversammlungen und entsprechend keine Protokolle mehr gegeben.

Nach dem Tod der Hauseigen­tümerin musste das Theater 2019 weichen und zog in die ehemalige Werkshalle »Tanzfaktur« in Deutz. Doch man plante die Rückkehr in die Südstadt: Der Gewölbekeller im Hausprojekt Kat18, einer ehemaligen Brauerei, sollte zur Spielstätte umgebaut werden. Stadt, Land NRW und Landschaftsverband Rheinland hätten für den Umbau Fördergelder zugesagt, erzählt Ralph Elster. Auch eine private Spende von 200.000 Euro sei angekündigt worden. In Aussicht auf diese Gelder habe Wackerhagen, gemäß dem Willen der Spenderin, ein »Baukonto« eröffnet.

Elster schildert die finanziellen Probleme, die Suche nach Mäzenen und Unterstützern, das Beantragen von Fördergeldern. Dann der Fall Wackerhagen. »Das war in jeder Hinsicht eine Katastrophe.« Für das Theater, für dessen An­sehen, auch menschlich. Er habe zunächst keine Anzeichen gehabt, dass Wackerhagen Geld veruntreut. »Warum auch? Der lebt auf großem Fuß, so etwas hat er doch nicht nötig gehabt.« Aber Wackerhagen sei »auch schwierig« gewesen. Elster schildert, wie man in seinem Büro im Gespräch mit den Architekten übereingekommen sei, dass der Umbau der Räume im Kat18 für den Verein doch nicht zu finanzieren sei. »Wackerhagen hat zugestimmt. Aber dann sind sie raus, und später erfahre ich, dass Wackerhagen doch den Bauantrag gestellt hat!« Es ist eine von mehreren Schilderungen, die zeigen sollen, wie eigenmächtig Wackerhagen handelte.

Zwei Mitglieder hätten zuvor schon wegen Wackerhagen den Vorstand verlassen. Auch er habe das überlegt, sagt Elster, aber er habe sich verpflichtet gefühlt, das Theater wieder auf Kurs zu bringen. Dazu habe auch gehört, Wacker­hagen anzuzeigen, als der Verdacht immer größer wurde, dass er das Konto geplündert habe. Dass Wackerhagen als Vorsitzender ein Alleinvertretungsrecht gehabt habe, sei von heute aus betrachtet falsch gewesen. Inzwischen habe man die Satzung des Trägervereins geändert und ein Vier-Augen-Prinzip eingeführt. Er habe sich auch einmal gewundert, als er erfuhr, dass die Verwal­tungs­angestellte vom Baukonto nichts wusste. Aber als damaliger Schatz­meister habe er sich nichts vorzuwerfen. Die Anzeigen, die »diese eine Person« gegen ihn gestellt hat, ­seien alle als unbegründet fallengelassen worden. Es sei nur darum gegangen, seinen Ruf zu beschädigen.

»Wir haben eine Geschäfts­führung, bestehend aus Intendanz und Buchhalterin, die sich um die Ausgaben und Einnahmen kümmern, und wir haben einen Steuer­berater, der die Rechtmäßigkeit der Buchungen prüft«, erläutert Ralph Elster. Der Vorstand des Theaters habe keinerlei unmittelbaren Zugang zum Tagesgeschäft. Man könne das nicht mit einem kleinen Verein vergleichen, wo der Schatzmeister womöglich jede Kontobewegung verfolge, sagt Elster. Viele sehen das anders. Natürlich müsse man in dieser Funktion penibel verfolgen, was mit den Spenden geschehe, sagt etwa der Schatzmeister eines großen Wohltätigkeitsvereins. Man müsse Fördergebern jederzeit Rechen­schaft ablegen können. Die Staatsanwaltschaft aber folgte der Argumentation Elsters und teilt mit, es sei »allenfalls als fahrlässiges Verhalten« zu werten.


Nach dem Spendenskandal sei die Freude über den Erhalt des Theaters so groß ­gewesen, dass man manches nicht so genau wissen wollte

Als Schatzmeister, so Elster weiter, habe er auf die Konten des Vereins auch keinen direkten Zugriff, lediglich eine Vollmacht für das »Baukonto« habe bestanden, um handlungsfähig zu sein, falls Wacker­hagen etwas zugestoßen wäre. Dass es ein gesondertes Konto als »Baukonto« gab, sei in solchen Fällen üblich, um die ­Finanzen sauber zu trennen. Niemand im Trägerverein habe ihm das je zum Vorwurf gemacht. Bis eben auf »diese eine Person«.

Jemand wolle ihn öffentlich diskreditieren, dagegen müsse und werde er sich wehren. »Ich habe keine Ahnung, warum«, sagt Elster. »Da setzt man sich jahrelang für das Theater ein, und zum Dank bekommt man solchen Ärger.«

Nun könnte es neuen Ärger geben. Christa Schulte ist »diese eine Person« und Mitglied des Träger­vereins. Sie schickte Anfang Februar ein Schreiben an alle Verinsmitglieder, in dem sie schwere Vorwürfe gegen Elster erhebt. Schulte war es auch, die im September 2021 mit der Leiterin der Geschäftsstelle des Theaters Anzeige gegen Wackerhagen erstattet hatte — und zugleich gegen Elster: wegen Untreue und Steuerhinterziehung.

Die Staatsanwaltschaft teilt mit, die Verfahren seien eingestellt. Doch Schulte kämpft weiter. Sie war im Juli 2021 zur stellvertretenden Vorsitzenden des Trägervereins gewählt worden. In ihrem Schreiben schildert sie, wie sie sich damals bei Wackerhagen und Elster erkundigt habe, ob es stimme, dass eine Großspende eingegangen sei. Diese hätten ausweichend reagiert und seien nicht auf ihren Wunsch einer externen Prüfung eingegangen. Das habe bei ihr Zweifel an der ordnungsge­mäßen Geschäftsführung geweckt, so dass sie bereits im ­August 2021 wieder zurücktrat. Bei einer Besprechung im September habe dann Wackerhagen von den 200.000 Euro berichtet, die bereits im März 2019 auf das Konto eingezahlt worden waren. Da hatte Wackerhagen einen Teil des Geldes bereits für »vereinsfremde Zwecke« ausgegeben. Schulte ist überzeugt, dass es sich bei dem Konto, das Elster als »Bau­konto« bezeichnet, um ein Schwarzgeldkonto handele; zudem sei die Spende für »unvorhergesehene Ausgaben« deklariert gewesen und nicht für den Umbau gedacht. Schultes Anwalt hat nun eine gerichtliche Entscheidung beantragt, weil die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht hätte einstellen dürfen.

Hört man sich in der Kölner Kulturpolitik zu Ralph Elster und seiner Rolle in der Veruntreuungs-Affäre um, sind alle auskunftsfreudig, doch kaum jemand will sich zitieren lassen. Mehrere Gesprächspartner warnen, dass Elster den Kölner Medienanwalt Ralf Höcker engagiere, der für sein robustes Vorgehen gegenüber Journalisten berüchtigt ist. Doch die vielen Gespräche ergeben ein Bild, von ­einem Mann, der häufig zu spät kommt, zuweilen gar nicht erscheint und der sich nicht immer an Absprachen halte, was die Zusammenarbeit erschwere. Viele nennen ihn chaotisch, einige cholerisch.

Doch als das Theater Anfang der Zehner Jahre die Konzeptions­förderung des Landes verlor, habe Elster dafür gesorgt, dass die Mittel schnell wieder flossen, sagt jemand. Nach dem Spendenskandal sei die Freude über den Erhalt des Theaters so groß gewesen, dass man manches nicht so genau wissen wolle. Aber die Sache sei für das Theater förderrechtlich noch nicht ausgestanden.

Thor Zimmermann zog 2009 in den Stadtrat ein und gehört ihm heute als Einzelmandatsträger an. Elster sei ihm damals freundlich gegenübergetreten, ohne Dünkel, obwohl sie politisch andere Ansichten hätten. Elster sei ein Freund der freien Szene und sorge dafür, dass sie Geld aus dem städtischen Haushalt bekäme, das könnten sogar eher links-alternative Projekte sein. »Elster hat aber auch eine andere Seite. In Sitzungen kann er auch aufbrausend sein und andere Personen direkt angehen.«

Unterdessen ist der dritte Steuerberater seit dem Eklat für den Verein tätig: Nachdem zwei Vorgänger geschasst wurden oder aufgaben, wird der Job nun von Ralph Elsters Onkel erledigt, dem renommierten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Harald Elster, der bis 2021 Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands war. Seine Aufgabe ist es unter anderem, die fehlenden Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre zu erstellen.

Bis auf »diese eine Person« vertrauen die derzeitigen Mitglieder des Trägervereins Ralph Elster, selbst wenn sie politisch völlig anders ­ticken, wie etwa Gisela Stahlhofen von der Linkspartei. Elster seien keine Vorwürfe zu machen, was die veruntreute Spende angehe. »Er hat davon nichts merken können.« Man habe diskutiert, ob es nicht besser sei, wenn eine Person von außen den Vorsitz übernehme. »Aber ich habe Herrn Elster darin bestärkt. Es war so ein Durcheinander, da hätte sich jemand Neues schwer reinfinden können.« Ralph Elster sei als Person sehr wichtig. »Er ist nah an der Verwaltung. Der enge Kontakt zum Kulturdezernenten ist für uns zwingend notwendig.«