Gestaltete Zeit © Televisor

Can and Me

Can-Keyboarder Irmin Schmidt spricht über die Poesie der Geräusche und seine Zeit als Krautrocker

»Stille ist eine Metapher«, sagt ­Irmin Schmidt. »Absolute Stille gibt es nicht.« Das Gründungsmitglied der Kölner Krautrockband Can lebt seit Jahren in Südfrankreich. Dort haben das Filmemacherduo Tessa Knapp und Michael P. Aust den inzwischen 85-jährigen über sein Leben, seine Musik, die er »gestaltete Zeit« nennt, und natürlich zu Can befragt. »Für mich ist Stille das wichtigste Geräusch«, sagt er und erinnert sich daran, wie er schon als Kind vom Rauschen der Bäume oder dem Knirschen von Kies fasziniert war, lange bevor er sich für Musik zu interessieren begann.

Schmidt erklärt diese »Poesie von Geräuschen« als prägend für seinen künstlerischen Werdegang. Den blättert der Film dann auf — vom Studium bei Györgi Litegi und Karl Heinz Stockhausen, über seine Jahre als Dirigent und Pianist, die Can-Ära mit Holger Czukay, Jaki Liebezeit und Michael Karoli, den Sängern Damo Suzuki und Malcolm Mooney, den zahlreichen Film- und Fernsehmusiken etwa für Wim Wenders und Roland Klick (»Deadlock«), bis zur Komposition der Oper »Gormenghast« und Ausflüge in elektronische Clubsounds. Knapp und Aust greifen dabei auf Ausschnitte aus Spielfilmen und Serien ebenso zurück wie auf rare Konzertaufnahmen und zeitgenössische Fernsehberichte. Weggefährt*innen und Kolleg*innen wie Brian Eno, Helmut Zerlett und Wim Wenders sprechen voller Respekt über Kollaborationen und Einflüsse. Und auch Schmidt selbst würdigt, wie seine Can-Mitstreiter ihn beeinflussten, das Rhythmusgefühl des 2017 verstorbenen Schlagzeugers Jaki Liebezeit etwa.

»Can and Me« ist vor allem ein Porträt Irmin Schmidts, bei dem auch seine Ehefrau Hildegard ausführlich zu Wort kommt, die als Managerin von Can und des Labels Spoon Records im Hintergrund für Struktur sorgte und einen nicht zu unterschätzenden Anteil am weltweiten Erfolg hatte — und hat. So faszinierend diese Einblicke sind, merkt man der Dokumentation den Ursprung als Produktion fürs Öffentlich-Rechtliche Fernsehen deutlich an — ästhetisch in den Bildern, aber auch in der Erzählhaltung. Wirklich gewagt oder überraschend ist da wenig. Doch für Fans und Spätgeborene ist »Can and Me« gleichermaßen eine Fundgrube historischer Konzert- und Probenaufnahmen wie eine Gelegenheit, einem ebenso geistreichen wie eloquenten Ausnahmemusiker und Wandler zwischen den Welten beim Reflektieren zuzuhören. 

D 2022, R: Tessa Knapp, Michael P. Aust, 84 Min., Start: 9.3.