Leitende Position, zunächst befristet: Schauspiel Köln hat bald ’ne Stelle frei; Foto: Ana Lukenda

Neue Gestrigkeit

Schauspiel Köln: Bei der Suche nach einem neuen Intendanten besteht die Gefahr von Intransparenz — mal wieder

»Herr Charles steht leider aktuell nicht für ein Interview zur Verfügung«, lautet die maximal kurze Antwortmail aus dem Kultur­dezernat.

Nachdem Schauspielintendant Stefan Bachmann, wie im Dezember 2022 bekannt wurde, ans Wiener Burgtheater berufen wurde und seine Intendanz in Köln nach der Spielzeit 2023/24 aufgibt, ist es in Köln nun allerhöchste Zeit, auf die Suche nach einer neuen Theaterleitung zu gehen. Sie darf dann, hoffentlich, im Frühjahr 2024 die frisch renovierte Spielstätte am Offenbachplatz eröffnen. Fragt man genauer nach, wie sich die Suche nach einer neuen Intendanz gestaltet, wird es leider auch nicht konkreter: »Die Findungskommission wird derzeit zusammengestellt. Die Stelle wird ausgeschrieben und das Verfahren unter Beteiligung einer externen Beratungsfirma durchgeführt«, heißt es weiter aus dem Kulturdezernat. Weitere Informationen gibt es nicht, weder den Namen der Beratungsfirma, noch Auswahlkriterien und Zusammensetzung der Findungskommission werden »mit Blick auf das laufende Verfahren« verraten.

Im Hinblick auf die vor drei Jahren erfolgte Blamage bei der Intendanz-Findung, damals wurde in einem undurchsichtigen Verfahren ein unbekannter Kandidat ohne künstlerisches Renommee ernannt, der kurze Zeit darauf verzichtete, und auch in Erinnerung an zwei von vielen prominenten Kölner*innen unterzeichneten offenen Briefen, ist das besorgniserregend. Eine »multi­per­spek­tivische Findungskommission mit Diversitätskompetenz«, forderte der eine Brief, unterschrieben von 350 Kulturschaffenden. »Transparenz« in den Auswahlkriterien, »Aufgeschlossenheit in aktuellen Diskursen« forderte der andere, den u.a. Künstler*innen wie Elfriede Jelinek, Annette Frier oder Sibylle Berg unterschrieben. Es fanden im ­Anschluss sogar Treffen mit OB Henriette Reker statt — mit den Akteur*innen der Briefe, divers besetzt, durchaus konstruktiv, die Autorin dieses Artikels war selbst Teil davon. Die Lage beruhigte sich, als Stefan Bachmanns Intendanz verlängert wurde.

Nun ist der immer noch recht neue Kulturdezernent Stefan Charles am Ruder, die Intendanzfindung drängt erheblich, aber bei ihrer Planung und Durchführung erscheint alles genauso gestrig und intransparent wie zuvor. Dabei ist die Besetzung von kulturellen Leitungspositionen seit einiger Zeit Thema großer kulturpolitischer Diskurse. Im Januar fand ein großer Kongress »Rethinking Intendanzfindung« an der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel statt, unter anderem in Kooperation mit Deutschem Bühnenverein und Ensemble Netzwerk. Die Erkenntnisse: Es braucht neue Wege, um Entscheider*innen in Politik und Kulturverwaltung für neue Methoden der Leitungsfindung zu sensibilisieren: »Mehr Transparenz und Teilhabe sind nötig, ebenso wie eine aktive Rolle der Kulturpolitik. Eine bewusste und transparente Intendanzfindung unter Beteiligung von Mitarbeitenden stärkt Theater und legitimiert diese in der Gesellschaft.«


Es ist bitter festzustellen, dass Transparenz und Partizipation bei der Suche nach einer neuen Intendanz noch nicht einmal angedacht zu sein scheinen

»Partizipation«, »Diversität« und überhaupt das Entwickeln einer »Vision« gehören auch zu den wichtigsten Schlagworten in einer vom dramaturgie-netzwerk erarbeiteten »Handreichung zur Intendanzfindung« vom Mai 2022: »Die Beteiligung verschiedener Akteur:innen und Expertisen aus Theater und Stadtgesellschaft ist für die Erarbeitung des Profils wichtig«, wird da empfohlen. Im Kölner Kulturdezernat dagegen folgt keine Antwort auf die Frage, ob man Konferenz oder Handreichung zur Kenntnis genommen habe.

Was die — in Köln so penibel geheim gehaltene — Zusammensetzung der Findungskommission betrifft, empfiehlt das dramaturgie-netzwerk übrigens klare Kriterien: »Es sollte darauf geachtet werden, dass sie insgesamt Mindeststandards an gesellschaftlicher Vielfalt abdeckt.« Empfohlen werden etwa, neben der Intendanz eines vergleichbaren Hauses, Vetreter*innen der Stadtgesellschaft in Form eines Zuschauer*innenrats, sowie Expert*innen für Diversity und Gleichstellung einzusetzen. Wichtig sei auch, im voraus eine künstlerische Vision und das gesuchte Profil zu erstellen, auch dies möglichst unter ­Beteiligung verschiedener Akteur*innen und Expertisen aus Theater und Stadtgesellschaft. Von all diesen Erkenntnissen scheint man in Köln wieder meilenweit entfernt.

Weitaus radikaler zur Frage, wie Theater-Intendanzen heutzutage besetzt und ausgeübt werden sollten, äußert sich Thomas Schmidt, ehemals Geschäftsführer und später Intendant am Deutschen Nationaltheater Weimar, heute Professor für Theater- und Orchestermanagement in Frankfurt und Autor der Studie »Macht und Machtmissbrauch an Theatern und ihre Ursachen«. Das Modell des Intendanten als oberstem Leiter eines Bühnenhauses erinnere ihn, so sag­te er in einem Interview, an Zeiten des 19. Jahrhunderts: Es sei ein »überkommenes Überbleibsel aus dem Absolutismus«. Kein Wun­der, dass es immer wieder zu Vorwürfen von Mobbing, MeToo und Vetternwirtschaft kommt. In Köln bahnte sich 2018 ein Skandal an: Stefan Bachmann und dessen Ehe­frau Melanie Kretschmann, die im Schauspielensemble lange Zeit große Rollen spielte, das Urban Gardening verantwortete und auch selbst in­s­zenierte, wurden des Mobbings bezichtigt, prägende Regisseur*innen, Dramaturg*innen und Schau­spieler*innen verließen das Haus, groß wurde darüber im Spiegel ­berichtet.

Noch weiter als Thomas Schmidt geht Sarah Waterfeld, Mitglied des Künstler*innen-Kollek­tivs Staub zu Glitzer, das 2017 die Besetzung der Berliner Volksbühne initiierte. Sie fordert noch tiefgreifendere basisdemokratische und feministische Arbeits- und Auswahlgrundsätze, um das Theater zu verändern.

Der Stadtrevue erzählte sie von ihrer Inszenierung »B6112« an der Volksbühne: »Für ein paar Tage wurde das Theater von einer Gemeinschaft getragen, von Miet-­Initiativen, Menschen, die sich im Arbeitskampf befinden, von Künstler*innen — und von Menschen, die sich früher nicht ins Theater getraut haben.«

Doch auch wenn man in Köln nicht bis hin zur Basisdemokratie im Theater gehen muss: Es ist ­bitter festzustellen, dass Trans­parenz und Partizipation bei der Suche nach einer neuen Intendanz noch nicht einmal angedacht zu sein scheinen — und ­eine strikte Informationssperre über die Vorgänge herrscht. Man will sich gerne eines Besseren belehren lassen, aber die Zeichen stehen auf Gestrigkeit.