Verantwortet seit elf Jahren das Festival: Tasja Langenbach; Foto: Sandra Stein

Als die Bilder laufen lernten

Tasja Langenbach, künstlerische Leiterin der Videonale, über verändertes Rezeptionsverhalten und neue Begegnungsorte

Frau Langenbach, die Videonale feiert dieses Jahr die 19. Ausgabe, der Startschuss ist vor 39 Jahren gefallen. Während die Video-Kunst damals noch eine Außenseiterrolle eingenommen hat, ist sie heute als Gattung voll etabliert. Was macht den Erfolg der Video-Kunst aus?

Ich würde Ihre Einschätzung, dass die Videokunst heute voll etabliert sei, gerne etwas relativieren wollen. Sie mag im Kunstbetrieb weitestgehend etabliert sein — wenn man den Kunstmarkt außen vor lässt —, aber beim breiten Publikum hat diese Kunstform oftmals immer noch eine Außenseiterposition. Das hängt damit zusammen, dass sie in einigen entscheidenden Punkten etwas anderes von uns fordert als die klassischen Medien wie Malerei oder Fotografie. Sie fordert unsere Zeit und ein Sich-Einlassen auf oft komplexe narrative Zusammenhänge. Obwohl der Umgang mit bewegten Bildern heute einerseits eine große Selbstverständlichkeit hat, haben wir andererseits nie wirklich gelernt, bewegte Bilder in einer anderen Form als in klassischen, linear erzählten Formaten zu verstehen. Genau das braucht es aber bei der Videokunst, und das ist ja auch das Reizvolle an dieser Kunstform.

Sie sind seit elf Jahren Leiterin der Videonale in Bonn. Was sind die offensichtlichsten Veränderungen im Feld der Video-Kunst, die sich in den letzten zehn Jahren ergeben haben? Haben Plattformen wie Instagram und TikTok das Rezeptionsverhalten nachhaltig geändert?

Ich würde schon sagen, dass Video als Medium des täglichen Gebrauchs durch die Sozialen Medien eine sehr viel größere Selbstverständlichkeit bekommen hat, auf jeden Fall findet die Ästhetik der Sozialen Medien auch Eingang in die künstlerischen Werke. Inwiefern sich die große Präsenz von Video im Alltag auf Rezeptionsbedingungen im Kunst­kontext auswirkt, finde ich aber schwer zu beurteilen. Grundsätzlich kann man aber wohl schon sagen, dass Video immer mehr auch als Informationsmedium verstanden wird, von dem man sich einen schnellen, unterhaltsamen Zugang zu Themen erwartet. Das findet bei der Videokunst oft nicht statt, und da spüren wir, gerade bei jüngeren Besucher:innen, eine Ungeduld gegenüber der Art und Weise, wie und wie lange Videokunst ihre Inhalte erzählt. Kurz und knackig geht es da ja meistens nicht zu. Das lässt sich aber sehr schwer verallgemeinern, weil die Bandbreite der Mittel, mit denen Videokunst erzählt, einfach so riesig ist.

Während alle anderen Einrichtungen monatelang geschlossen waren, konnte Video-Kunst während der Hochphase der Corona-Pandemie im Netz weiter zirkulieren: Was bedeutete das für ein Festival wie die Videonale?

Die letzte Ausgabe fand ja nur im digitalen Streaming- und P2P-Raum statt. Für uns bedeutete die Lockdown-Situation, dass wir uns in vielen Punkten selbst befragen mussten: Was wollen und können wir von unseren gängigen Formaten in den virtuellen Raum übertragen? Wen wollen wir damit erreichen? Wie können wir im Virtuellen soziale Situationen herstellen und die Menschen miteinander in Kontakt bringen, und welche Formate braucht es dafür? Bis hin zu der Frage, ob wir die Ausstellung im Museum überhaupt aufbauen — weil damals überhaupt nicht klar war, ob sie jemals würde öffnen können —, oder ob wir uns rein auf die Online-­Präsentation der Videos beschränken. Für uns war diese Periode aber als Zeit der Reflexion extrem wertvoll und einiges von dem, was wir damals neu gemacht haben, übernehmen wir für die kommende Ausgabe. Eine wesent­liche Erkenntnis war beispielsweise, dass wir uns als Festivalmacher:innen als Gastgeber:innen verstehen und also ganz wesentlich als Plattform für die Künstler:innen. Sie und ihre Werke sollen im Mittelpunkt unserer Aktivitäten stehen.

Gibt es Neuerungen oder Innovationen, die die Besucher*innen dieses Jahr erwarten können?

Die kommende Videonale ist stark interessiert daran, neue Kontaktzonen und Dialogsituationen herzustellen, zwischen Künstler:innen und dem Publikum, den Künstler:innen untereinander und zwischen uns als Festivalmacher:innen mit dem Publikum und den Künstler:innen. Dafür haben wir in der Vorbereitung auf diese Ausgabe viel getan und auch in unseren Prologveranstaltungen den Dialog mit einem vielfältigen Publikum gesucht. Das soll sich während des Festivalzeitraums weiter fortsetzen. In der Ausstellung haben wir hierfür, auf Anregung unserer neuen Festivalprogrammleitung Annette Ziegert hin, zusammen mit unserer Ausstellungsarchitektin Ruth Lorenz von maaskant Berlin einen neuen Ort kreiert: den »Videonale Circus«, der mitten in der Ausstellung liegt und in dem wir für Veranstaltungen mit einem größeren Publikum zusammenkommen können, um gemeinsam Werke anzuschauen und zu besprechen. Aber auch, um dort während der Osterferien ein spezielles Kinderscreening anzubieten. Der »Ort der Ruhe« in der Ausstellung ist auch neu: Hier können sich Besucher:innen aus der Bilderflut zurückziehen. Ziel war es generell, die Aufenthaltsqualität in der Ausstellung zu erhöhen, so dass Besucher:innen sich wohlfühlen und gerne mehr Zeit dort verbringen als vielleicht anfangs gedacht. Ein Thema, das unserer Ansicht nach oft zu kurz kommt bei der Planung von Ausstellungen.

Gab es besondere Aspekte, die Sie in den Fokus genommen haben?

Das Senken von Barrieren war auch ein großes Thema; nicht nur, aber besonders die Barrieren, die mit Blick auf das Thema »Sprache« entstehen. Wir haben erstmals eine große Zahl der Videos untertitelt. Ein Riesenaufwand und nicht zu vergleichen mit der Untertitelung von Filmen beispielsweise, aber für uns eine notwendige Voraussetzung, wenn wir mit den Menschen ins Gespräch über die Werke kommen wollen. Neu ist auch, dass wir das Foyer des Kunstmuseums als Ort für unsere Veranstaltungen mit einem eigenen architektonischen Konzept bespielen, um dort die Aufenthaltsqualität zu erhöhen und Dialoge zu ermöglichen. Genauso wollen wir, über die Grenzen des Ortes Museum hinaus, die Kontaktzone vergrößern, in der Menschen mit Kunst in Berührung kommen: Beispielsweise durch die Satelliten in der Stadt Bonn, durch Orte und Formate wie die Nudelabende oder durch Workshops in Resonanz zu Kunstwerken im Rahmen des Jungen Forums.

Die 1984 gegründete und renommierte Videonale — Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen findet alle zwei Jahre in Bonn statt. Marcel ­Odenbach, Bill Viola, Hito Steyerl uvm. waren bereits Teilnehmer*innen. Dieses Jahr gab es 2000 Einreichungen für einen der  begehrten Plätze in der Ausstellung.

Videonale.19: 31.3.–14.5., Di–So 11–18 Uhr, Mi 11–21 Uhr (mit einer Ausstellung im Kunstmuseum Bonn)

v19.videonale.org