Schau mir in das Auge: Moshtari Hilal, Soft Touch No.3, 2023, Fotografie; Copyright: Moshtari Hilal

Mit Substanz erweitert

Die Fotokünstlerin Donja Nasseri kuratiert am Ebertplatzein Co-Lab! während des ­Photoszene Festivals

Es ist eine steile Karriere, die ­Donja Nasseri bisher hingelegt hat. Sie wurde vom Fotografiemuseum Amsterdam, FOAM, als New Talent vorgestellt, erhielt zuletzt das Chargesheimer-Stipendium für Medienkunst und bespielte ­allein in der zweiten Jahreshälfte 2022 drei Ausstellungen. Dabei hat sie erst im letzten Jahr ihr ­Studium bei Gregor Schneider an der Düsseldorfer Kunstakademie abgeschlossen.

Nasseri identifiziert sich als POC (Person of Colour), ihre familiären Migrationsgeschichte führt nach Ägypten und Afghanistan. Im Gespräch weist die eloquente Künstlerin (*1990), die in Düsseldorf aufwuchs, darauf hin, dass man sie auch deshalb angesprochen habe, das Thema Body ­Politics für eines der Photoszene ­Co-Labs! zu kuratieren. Sie erzählt von Kairo, wo ihre Familie wohnt: Vor ein paar Wochen sei sie dort hingereist, um dem Beton­grau des Rheinlands zu entfliehen.

Die erd- und sandtönige Farbigkeit der Metropole am Nil habe sie schnell von einem kleinen Winterblues kuriert.

Wie Nasseris poetischer Ausstellungstitel »The Loneliness One Dare Not Sound« andeutet, zieht sich die Einsamkeit wie ein Leitmotiv durch die vier Kunsträume der Ebertplatz-Passage. Sei es in den lyrischen Texten verschiedener Autor*innen auf der Außenfläche vom Labor, die den durch Milieuwechsel und Bildungsaufstieg impliziten Schmerz in der Familie verarbeiten. Oder im Video »BOY« im Gold + Beton: Yalda ­Afsah und Ginan Seidl begleiten darin ein afghanisches Mädchen, das viel lieber als Junge geboren worden wäre.

Donja Nasseri zeigt elf Positionen, in denen sich die ihr wichtigen Themen deutlich widerspiegeln: Identitätsbilder und Geschlechterrollen. Sie greift dafür auf einen erweiterten Fotografiebegriff zurück: »Die Fotografie ist kein allein stehendes Medium (mehr), sie wird mit Substanz erweitert«, erklärt Nasseri. Sie arbeitet collagenhaft und bindet Schrift, Sprache, Farbauftrag, Sound und Bewegung in ihre Bilder ein. »Auch ein Video kann eine bewegliche Fotografie sein.« Schade, dass die Kuratorin sich selbst nicht ausstellen wird.

Stattdessen hat Nasseri fünf Künstler*innen für die Gemeinde Köln am Ebertplatz vorgesehen. Die meisten von ihnen sind ebenfalls POCs, die mit Literatur und Fotografie arbeiten. Darunter ist Jana Buch, die ein paar ihrer Text-Bild-Poster wie Wanddekorationen in einer Wohnung hängt. Es sind Blicke auf triste Stadtlandschaften, die sie mit lyrischen Texten ergänzt. Zeilen wie »Die Wände des Zimmers/ Zäune der Häuser/ Grenzen der Haltung/ in der Einsamkeit« erscheinen als Obertitel zur Fotografie einer Brücke, dem Tatort eines rassistisch motivierten Anschlags im Jahr 2021. Jana Buch arbeitet häufig in Kooperation mit anderen Künstler*innen, zum Beispiel mit Arisa Purkpong. Auch sie hat Nasseri an den Ebertplatz eingeladen.

Neben den vollendeten Werken werden im Vorderraum der Gemeinde Köln Handabzüge, Prints und Beamer-Präsentationen zu sehen sein. Im Hinterraum ist ein Schwarz-Weiß-Labor eingerichtet. Spannend wird sein, was da während der Ausstellung noch entsteht. Nasseri hat sich das ­Thema Kollektivität neu erarbeitet, denn »an der Akademie lernt man nur Solokünstlerin.«

Im Raum Mouches Volantes werden »fixe Positionen« gezeigt. Die in Kabul geborene Moshtari Hilal dürfte die prominenteste Künstlerin dieses Photoszene ­Co-Lab! sein. Im vorletzten Jahr befeuerte sie mit einer verbalen Breitseite den anti-rassistischen Diskurs. Der oft diskriminierenden Zuschreibung »Menschen mit Migrationshintergrund« setzte sie provokativ eine andere entgegen. Für die deutsche Mehrheitsgesellschaft nutzte Hilal (*1993) in einem Instagram-Gespräch den Begriff »Menschen mit Nazihintergrund«. Hilal, die ursprünglich Islam- und Politikwissenschaften studiert hat, präsentiert fotografierte Selbstporträts zum Thema Body Politics. Sie sind erweitert um fein gezeich­nete Haare und Ornamente. Die Personen mustern ihre ­Gesichter ernst und kritisch im Spiegel, ohne dabei den Blick von außen — der Betrachter*innen — aus dem Auge zu verlieren. 

»The Loneliness One Dare Not Sound«, Photoszene Co-Lab!, kuratiert von Donja Nasseri, Kunsträume am ­Ebertplatz, Eröffnung am 13.05, 20 Uhr, bis 21.5.