»Ein wenig betrübt«: Gaybar Nachteule

Kein sicherer Ort für alle?

Nach einem mutmaßlichen Angriff auf eine Schwarze trans Frau diskutiert die LGBTIQ*-Community über die Schaafenstraße

Die Schaafenstraße ist bekannt für ihre queeren Clubs und Bars, steht für Toleranz und Vielfalt. Doch dieser Ruf steht nun auf dem Spiel. In der Nacht zum 10. April feierte Sofia J., eine Schwarze trans Frau, mit Freund:innen einen Geburtstag in der Schaafenstraße. Als sich die 26-Jährige gegen zwei Uhr morgens ein Taxi rufen wollte, habe sie ein Security-Mitarbeiter aufgefordert, die Straße zu verlassen. Sofia verstand das nicht, schließlich befand sie sich auf einer öffentlichen Straße. Da seien mehrere Securitys auf sie losgegangen, hätten sie geschlagen, zu Boden geworfen und ein Mann habe sie gewürgt. »Ich hatte das Gefühl, dass sie mich umbringen wollen«, sagt Sofia. »Ich habe um mein Leben geschrien.« Als sie auf dem Boden lag, habe sie ein weiterer Mann mit den Worten »Lass mich diese Transe treten« attackiert. Laut ­Sofia J. war diesder Besitzer der »Nachteule«.

Seit Sofia J. den Angriff auf ­ihrem Instagram-Kanal bekannt gemacht hat, zeigten sich viele Menschen entsetzt und bekundeten ihre Solidarität. Eine Mahnwache wurde vor der »Nachteule« orga­nisiert, »Justice now« an die Hausfassade gesprayt und an der Schaafenstraße Plakate mit der Aufschrift »LGBTI-freundlich? Von wegen!« geklebt.

Währenddessen zweifeln Weiße schwule Männer auf ihren Accounts an Sofia J.s Glaubwürdigkeit und teilen ein Statement der Nachteule. Die stellt die Situation so dar: Man habe Sofia J. »fixiert«, weil sie »auf der Straße laut krakeelt« habe. Die hinzugerufene Polizei ermittelt gegen »mehrere Personen« wegen schwerer Körperverletzung.

Die Wirtegemeinschaft Schaafenstraße zeigte sich in einem Statement »ein wenig betrübt« über eine angebliche Spaltung. Man sei Opfer »einer beispiellosen Hetzkampagne«. Man solle »Rassismus, Homophobie und Transfeindlichkeit« lieber »in der Gesellschaft bekämpfen«, wo sie »wirklich« vorkämen, so die Wirte.

Die großen Vereine wie Cologne Pride, der jährlich den CSD ausrichtet, oder der Lesben- und Schwulenverband NRW haben sich bisher nicht zum Vorfall geäußert. Nur das queere Kultur- und Beratungszentrum Rubicon veröffentlichte ein Statement unter der Überschrift »Das war keine Ausnahme«. Das Rubicon erklärt, es habe »über die Jahre viele Fälle von Gewalt und Diskriminierung in queeren Orten und Lokalen in Köln« gegeben, die nicht gemeldet  worden seien. Auch die Kommentare unter Sofia J.s Video erwecken den Eindruck, dass mehr Menschen als bekannt an der Schaafenstraße Rassismus und Queerphobie erleben.

Die Polizei zählt mindestens sieben queerfeindliche Straftaten rund um die Schaafenstraße von 2018 bis 2021. Zu rassistischer Gewalt gibt es keine Zahlen. Diskriminierungserfahrungen von BIPoCs in queeren Szeneorten sind weitgehend unsichtbar. Gleichzeitig werden queerfeindliche Hassverbrechen immer wieder rassistisch instrumentalisiert: Als 2021 ein Mann mit dem Auto in eine Menschenmenge an der Schaafenstraße raste, unterstellte die Bild-Zeitung einen Zusammenhang mit umliegenden Shisha-Bars. Bezirks­bürgermeister Andreas Hupke (Grüne) spekulierte öffentlich über die »Kultur«, in der »diese Täter­typen« aufgewachsen seien — ungeachtet der Tatsache, dass der Täter deutscher Staatsbürger war.


Ich hatte das Gefühl, dass sie mich umbringen wollen
Sofia J.

Schon 2016 gab es eine rassistisch geführte Debatte um sogenannte Antänzer, die angeblich Gäste der Schaafenstraße beklauen würden. Die Wirtegemeinschaft Schaafenstraße reagierte mit einem verschärften »Sicherheitskonzept«. Eine Woche später berichteten geflüchtete Queers, dass ihnen der Zutritt zu den Bars verwehrt werde.

»Ich finde es unmöglich, dass die Schaafenstraße nur ein Safespace für Weiße Schwule sein soll«, sagt Ben_ja L. von der Initiative »Queer und Solidarisch«. »Der Angriff auf Sofia hat gezeigt, was trans Menschen und BIPoCs schon lange wissen:  Die Schaafenstraße ist kein sicherer Ort für alle.« In einem Offenen Brief an die Wirtegemeinschaft fordert die Initiative, den Angriff aufzuarbeiten und ein Schutzkonzept für die Schaafenstraße.

Für Sofia J., die 2019 nach Köln floh, kommen die Forderungen zu spät: »Ich hatte gehofft, in Köln Unterstützung zu finden, um von meiner Vergangenheit zu heilen«. Jetzt plant die 26-Jährige ihren Umzug nach Berlin, weil sie sich in Köln nicht sicher fühlt: »Ich weiß, Transphobie existiert überall. Aber ich bin traumatisiert und muss in einer anderen Stadt neue Erfahrungen machen«.