Konzert von King Crimson: »In the Court of the Crimson King«

Mehr als ein Hintergrundgeräusch

Das Festival See the Sound zeigt, warum Mächtige Angst vor Musik haben

Als »Arbeitsplatzkomödie« bezeichnet der britische Guardian »In the Court of the Crimson King — King Crimson at 50«, in der Robert Fripp, der höchst eigensinnige Chef der Band, einen geheimen Masterplan für die legendären Progrocker zu haben scheint, den seine Mitstreiter mitunter nur erahnen können. Was zu reichlich Verzweiflung, hier »musikalische Differenzen« genannt, und zu ständigen Umbesetzungen von King Crimson führt. Gründungsmitglieder bitten Fripp Jahrzehnte nach ihrer Flucht aus der Band um Verzeihung, während der Gitarrist Adrian Belew seine Entlassung bis heute nicht begreifen kann und auch für seinen Haarausfall verantwortlich macht. Dass die Band für ihre Fans weltweit eine quasi-religiöse Dimension besitzt, erzählt passenderweise eine norwegische Nonne in die Kamera von Toby Amies. Der Regisseur wird auch auf dem Festival erwartet und dort gewiss von seinen besonderen Erfahrungen beim Dreh berichten. Denn am Ende des Films wird ihm von seinem Auftraggeber — Fripp hat den Film auch produziert — bescheinigt, ­alles falsch gemacht zu haben.

»In the Court of the Crimson King« ist einer der Höhepunkte von »See the Sound«, dem Mu­sikfilmfestival des Kongresses SoundTrack_Cologne. Für ­Programmmacher Michael Aust sind musikalische Sympathien oder Antipathien bei der Auswahl der Filme nachrangig sind: »Im Wettbewerb entscheiden wir uns in der Regel immer für den besseren Film und nicht für die bessere Band, auch wenn das zu Einbußen bei der Zuschauerzahl führen kann«, so Aust. Ein weiterer Höhepunkt: »El Kaiser de Atlantida«, ein Film über die gleichnamige Oper, die Viktor Ullmann und Peter Kein 1944 im KZ Theresienstadt schrieben. Beide wurden kurz nach der dortigen Uraufführung nach Auschwitz deportiert und vergast. Ihr Werk konnte gerettet und Jahrzehnte später aufgeführt werden. Ebenfalls im Wettbewerb ist die US-amerikanische Doku »Dusty & Stones« über zwei schwarze Country-­Sänger aus dem südafrikanischen Eswatini, die nach Texas reisen; eine ­berührende Pilgerreise an die Orte, an denen das Herz der Musik schlägt, die sie seit ihrer Kindheit so lieben.

Als weitere Farben sind Bossa Nova (»Miúcha, the Voice of Bossa Nova«) und Flamenco (»Siete Jereles«) auf dem Festival vertreten. Zum ersten Mal wird mit »Jazz up my Life!« eine Reihe mit Jazzfilmen im Programm sein, darunter .  »Inside John Scofield« über den begnadeten Gitarristen oder »Max Roach, the Drum also Waltzes« über die lange Karriere des großen Schlagzeugers, in der sich auch die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung abbildet.

In der Reihe »Activist Sounds« geht es in »Truth to Power« um den Kampf von Serj Tankian, Sänger der Metal-Band System of a Down, für die US-amerikanische Anerkennung des Völkermordes am armenischen Volk. In »No Callarem, um Film per la Llibertat« dreht sich alles um den Kampf der spanischen Justiz gegen heimische Rapper. Deren einziges Vergehen ist scharfe Kritik an einer Justiz, die Hass auf Minderheiten als Meinungsfreiheit auslegt, Kritik daran aber als nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sieht und mit harten Strafen versieht.

Beeindruckend und bedrückend ist der kanadische Wettbewerbsbeitrag »And Still I Sing«. Der afghanische Superstar Aryana Sayeed möchte ein Konzert im Ghazi-Stadion in Kabul geben,   um die kollektive Erinnerung an diesen Ort zu überschreiben, an dem die Taliban Menschen folterten und exekutierten. Sayeed nutzt ihre Prominenz im Kampf für Frauenrechte und ist Vorbild für viele Mädchen wie Zahra und Sadiqa, die die Castingshow »Afghan Star« gewinnen wollen— was bislang nur männlichen Kandidaten vergönnt war. Doch der Abzug der internationalen Truppen und der Wiedererlangung der Macht durch die Taliban ändert die Lage 2021: Die weiblichen Stimmen werden erneut zum Verstummen gebracht.

Dass Musik mehr ist als ein unterhaltsames Hintergrundgeräusch, vielmehr gesellschaftsverändernd, und warum Mächtige Angst vor ihr haben, zeigen viele Filme des Programms.

Mi 21.6.– So 25.6., diverse Orte.
Infos: soundtrackcologne.de