Wir sind hier — Schwarze Communitys in Köln

Die Schwarzen Communitys haben lange eine marginale Rolle in der Kölner Stadtgesellschaft gespielt. Seit den großen Black-Lives-Matter-Protesten ändert sich dies. Ihre Stimmen sind präsenter, in Köln wird öffentlicher über ­Kolonialismus und Anti-Schwarzen Rassismus diskutiert. Anlässlich des Kultur­festivals »African Futures« haben sich Felix Klopotek und Christian Werthschulte mit Mitgliedern der Communitys zum Roundtable getroffen, Thomas Schäkel hat Schwarze Menschen an ihrem Arbeitsplatz porträtiert

Ist Köln ein guter Ort für Schwarze Menschen?

Natnael Mekuryia: Als ich Ende 2011 nach Deutschland gekommen bin, bin ich zuerst in Köln gelandet. Dann wurde ich nach Bielefeld geschickt. Das war nichts für mich. Ich komme aus der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba und bin ein Großstadtmensch. In Bielefeld habe ich mich oft allein gefühlt, Köln ist internationaler.

Nely Daja: Ich bin im Münsterland geboren, in Senegal aufgewachsen und bin dann ins Münsterland zurückgekommen — im Winter. Das war nicht einfach. Niemand hat gelacht. Münster ist schön und sauber. Aber es hat eine andere Mentalität als Köln. Und als ich dann hier war, habe ich gedacht: Kann man machen. Auch wenn ich negative Erfahrungen gemacht habe.

Dr. Rahab Njeri: Ich fühle mich in Köln zu Hause. Meine Familie und meine Mutter sind hier, hier bin ich auch zur Schule gegangen und habe studiert. Ich war dann in Trier und es war eine Katastrophe, in so einer kleinen Stadt zu leben. Ich habe mich unwohl gefühlt. In einer großen Stadt wie Köln muss ich nicht immer sichtbar sein. Köln verkauft sich über seine Werte wie Toleranz, aber es gibt viel Rassismus und Diskriminierung. Und vieles wird ­unsichtbar gemacht.

Was wird unsichtbar gemacht?

Dr. Rahab Njeri: Die Kolonialgeschichte zum Beispiel. Und man findet kaum Menschen, die wie wir aussehen, in den Institutionen: bei der Stadt, im Ausländeramt oder in der Presse. Dabei waren wir immer hier, aber unsere Geschichten sind nicht erzählt worden. Erst jetzt fängt man an, sich damit auseinanderzusetzen und auch die Rolle Kölns im Kolonialismus zu thematisieren.

Allahdoum Boulo Moulkohg: Ich muss ihr beipflichten. Ich versuche, in Mülheim daran zu arbeiten, dass unsere Gemeinschaften in den Augen der Bürger:innen immer sichtbarer werden. Aber wir sind nicht so akzeptiert. Uns werden etwa Fehler vorgeworfen, die Weiße Deutsche auch machen. Aber bei uns ist es ein »Integrationsproblem«. Auch die Bezeichnung »Afrikaner« ist schwierig, sie geht auf einen römischen Legionär zurück. Ich denke, wir sind »Kemeten«, benannt nach dem alten Ägypten. Köln ist eine internationale Stadt, aber es wäre schön, wenn wir die Vielfalt noch besser darstellen könnten. Ich lebe gerne hier, auch wenn ich in Siegburg schlafe.

Varinia Akua: Ich habe Probleme, eine Wohnung in Köln zu finden. Ich habe hundert Bewerbungen geschrieben und nur sechs Einladungen bekommen — drei für eine WG und drei für eine Wohnung. Das zieht einen runter. Ich bin freiberufliche Musikerin,  ein Vermieter meinte, er hätte Angst, dass ich in der Wohnung meinen »Neigungen« nachgehen würde — meiner Musik. Die Wohnung habe ich nicht bekommen. Ich bin in Mülheim an der Ruhr geboren, immer wenn ich Köln besucht habe, haben mich Leute gefragt, ob ich aus der Wohnwagensiedlung in Köln-Mülheim komme. Das habe ich nicht verstanden. Aber jetzt verstehe ich, dass in Köln bestimmte Menschen nicht in allen Stadtteilen eine Wohnung bekommen. Meine Großeltern wohnen zum Beispiel in Kamen-Methler. Als ich bei ihnen Müll herunterbringen wollte, hat mir eine Frau gesagt, dass ich zurück in mein Land gehen sollte. Ich bin daraufhin mit der Polizei zu ihr gegangen und habe sie darauf angesprochen. Aber sie war überhaupt nicht einsichtig. Das habe ich Köln nicht erlebt, auch wenn hier ­anderes passiert, man etwa fetischisiert oder angeguckt wird. Aber das ist auch in anderen Städten so. Ich habe kein Problem damit, sichtbar zu sein, aber wenn diese Sichtbarkeit Gefahr bedeutet, bin ich lieber unsichtbar in der Masse. Wenn dann zum Beispiel andere Personen in der Bahn sind, die international sind, fühle ich mich sicherer.

Dr. Rahab Njeri: Man hat in Deutschland die Schwarzen Communitys lange nicht so wahr­genommen wie diejenigen, die aus der Türkei oder Italien stammen. So wurde auch die Geschichte ihres Widerstands unsichtbar. Jetzt fordern wir, dass die Weißen Deutschen sich mit ihrem eigenen Rassismus auseinandersetzen und sich dafür sensibilisieren — schon im Kindergarten. Da gibt es häufig Widerstand von der Weißen Mehrheitsgesellschaft: »Was hat das mit uns zu tun?« Aber nur, weil man etwas nicht erlebt, heißt es nicht, dass es nicht existiert. In Köln ist das nicht so direkt in your face. Wenn man im Kindergarten bestimmte Ausdrücke verwendet, heißt es »Ich wusste das nicht«.

Allahdoum Boulo Moulkohg: »Ich habe es nicht so gemeint«, heißt es dann.

Dr. Rahab Njeri: Oder: »Sei nicht so sensibel!« Mittlerweile haben wir Strukturen aufgebaut, wo wir darüber reden und uns wehren können. Für mich war eins der wichtigsten Ereignisse in Köln die großen Black-Lives-Matter-Demonstrationen im Sommer 2020. Ich habe hier noch nie so viele Schwarze Menschen auf einem Fleck gesehen. Das war für mich ein Statement und ein Empowerment, nochmal zurück zu gehen und zu denken: Okay, es gab schon vorher viele Menschen aus den Communitys , die etwas geleistet haben, aber nicht gesehen wurden. Ich glaube, wir haben eine große Verantwortung gegenüber der jüngeren Generation, weiterzugeben, dass es schon früher Schwarze Menschen gab, die den Weg geebnet haben. Wir sind dabei in einer privilegierten Position: Wir konnten studieren. Meine Mutter aber hat in einer Schokoladenfabrik gearbeitet. Ihre Generation hatte oft nicht die Sprache, ihre Erlebnisse als Rassismus zu bezeichnen. Ich habe jetzt diese Sprache und spreche es auch aus, wenn Rassismus verdeckt bleibt.

Köln beginnt langsam damit, seine Kolonialvergangenheit aufzuarbeiten. Der Stadtrat hat die Rückgabe der Benin-Kunstwerke beschlossen, es gibt eine Diskussion über die Zukunft der Reiterdenkmäler an der Hohenzollernbrücke. Und es gibt ein Gremium zur Aufarbeitung des Kolonialismus in Köln, in dem Sie, Frau Dr. Njeri und Frau Obermuller, Mitglieder sind. Wie nehmen Sie diese Aufarbeitung wahr?

Glenda Obermuller: Ich finde es gut, dass mittlerweile viel darüber diskutiert wird. Aber das ist ein Prozess, es wird nicht von jetzt auf gleich passieren. Wir wollen Veränderungen sehen und das dauert länger. Trotzdem ist es gut, dass die Stadt Köln damit angefangen hat und wir darüber ins Gespräch gekommen sind. Mit den Veranstaltungen erreichen wir viele Leute. Das Gremium zur Aufarbeitung läuft dieses Jahr aus. Wir sollen am Ende ein Papier fertigstellen, aber was geschieht dann damit? Ich würde mir wünschen , dass daraus viel erwächst und die Stadt Köln die Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit weiter als wichtigen Prozess erachtet.

Welche Veränderungen wünschen Sie sich konkret?

Glenda Obermuller: Wir wollen die Denkmäler stürzen, die Verbrecher der Kolonialzeit verherrlichen. Wir möchten seit Jahren die M-Straße umbenennen. Wir wollen, dass das N-Wort aus Schulbüchern verschwindet und in der Schule nicht mehr auftaucht. Wir haben auch Forderungen an das Gesundheitswesen.

Varinia Akua: Ich suche gerade nach einer Schwarzen Psychotherapeutin. Ich habe bei der Suche nach einem Therapieplatz wirklich grenzwertige Erfahrungen gemacht. Wenn du psychisch down bist und das erste, was eine Therapeutin dir sagt, ist: »Da ist aber eine Diskrepanz zwischen ihrem Namen und ihrer Hautfarbe«… Ich konnte gar nicht glauben, dass ich das in meiner Verfassung zu hören bekam.

Nely Daja: Unsere Gesundheit garantiert unser Wohlbefinden. Das Thema Wellness ist gerade sehr inflationär, aber wir sollten Self Care nicht wie in diesem weißen Yoga-Kontext behandeln, sondern als eine Form von Community Care. Ich habe als Yoga-Lehrerin 2020 eine Riesenkrise bekommen in dieser weißen Yoga-Welt, besonders wie sie mit der Black-Lives-Matter-Bewegung umgegangen ist. Und dann habe ich Yoga-Kurse für BIPOC gegeben und hatte einen Raum, wo nicht von außen ein Blick auf mich gerichtet wurde, sondern wo ich sein kann, wie ich bin. Das war eine wunderschöne Erfahrung, weil dabei ein Raum entstanden ist, in dem auch andere Menschen so sein können, wie sie sind. Ein Raum, wo wir uns gegenseitig halten können und nicht performen müssen. Es ist wichtig, zu zeigen, dass wir kurz mal aussteigen können aus diesem Hamsterrad aus Sexismus, Rassismus und Klassismus, auch wenn das natürlich kein machtfreier Raum ist.

Frau Obermuller, Sie bemühen sich viel um afrikanische Literatur. Nely Daja und Varinia Naru sind Musikerinnen. Haben Sie das Gefühl, dass Sie an der Kulturszene teilnehmen können?

Nely Daja: Ganz klar: Nein! Es gibt einen Abbau von Räumen und Möglichkeiten. Ich habe lange Zeit eine Reihe im Barinton in Ehrenfeld veranstaltet, wo wir Künstler:innen die Chance gegeben haben, aufzutreten. Das Barinton existiert nicht mehr, es gibt immer weniger Räume, wo man zusammenkommen kann. Ich war lange auf der Warteliste für einen ­Proberaum, auch das ist schwierig. Sie werden immer weiter an den Rand der Stadt gedrängt und sind kaum noch bezahlbar. Die Kultur­szene ist nach meinem Empfinden sehr weiß und männlich geprägt.

Varinia Akua: Ich konnte mich leider nicht so der Musik widmen, weil mich diese Wohnungssuche so runtergezogen hat. Und ich bin ja noch nicht so lange in Köln, aber was mir aufgefallen ist: Wenn ich Bandkurse für Kinder gebe und die sind in einem bestimmten Preissegment, dann sind die Kinder zu 90 Prozent oder mehr Weiß gelesen. Die Schule hat zwar eine Diversitätsbeauftragte, aber wie kann es sein, dass die Kurse sehr divers sind, wenn sie umsonst sind und sobald es ins normale oder teure Preissegment geht, haben wir nur Weiße Kinder? Warum sind Mädchen ab einem bestimmten Alter nicht mehr vertreten? An meiner Schule, der Offenen Jazzhausschule, sind fast alle Jazz-Dozierenden Weiße Menschen. Die Schule hat das erkannt und auch einen Text dazu veröffentlicht.

Das deckt sich auch mit unserem Eindruck. Es gibt zwar viele mittlerweile viele Förderprogramme für Musiker*innen, aber hauptsächlich für die, die eh schon Vorteile haben.

Nely Daja: Genau. Wer die Jazz-Eltern hat, der kann das machen. Ich wollte auch Musik studieren, hatte aber keine Jazz-Eltern. Ich habe dann Musikunterricht bekommen, aber die Zugangsvoraussetzungen — täglich Üben, schon früh teure Musikstunden — sind hart, weil es genau einen Studienplatz gibt. Aber wenn du dann einmal drin bist, dann gibt es die Förderung.

Varinia Akua: Solange man im richtigen Alter ist — von 14 bis 27 Jahren! Ich habe eine etwas negative Vermutung, warum das so ist: Ich habe lange versucht, in die Musikindustrie zu kommen, seitdem ich 17 Jahre alt war, und mir sind widerliche Sachen passiert. Es wäre sinnvoll die Förderung nicht auf so ein junges Alter zu beschränken, denn wenn man dreißig Jahre alt ist, ist man viel gefestigter in seiner Sexualität, kann sich besser wehren, kennt seine Grenzen und ist weniger beeinflussbar.

Nely Daja: Selbst dann ist man ja immer noch vulnerabel als selbstständige Künstlerin ohne Absicherung, Kündigungsfrist oder Verträge, weil die Musikindustrie in den meisten Fällen einfach nicht fair agiert.

Varinia Akua: Ich möchte noch kurz sagen, warum ich es so wichtig finde, dass die Musik auch von Schwarzen Menschen unterrichtet wird. Ich bin ja hier in Deutschland aufgewachsen und ich habe Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass Techno aus der Schwarzen Community in Amerika kommt. Es kann doch nicht wahr sein, dass die Strukturen es geschafft haben, dass ich in Mülheim an der Ruhr sitze und denke, dass Techno-Musik aus Europa stammt.

Allahdoum Boulo Moulkohg: Unser Verein Haus Afrika will genau das: Wir wollen unsere Geschichte selbst erzählen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die 14 Bände der allgemeinen Geschichte Afrikas, die von der UNESCO herausgegeben wurden, ins Deutsche zu ­übersetzen. Diese Geschichtsbände wurden gemeinsam mit afrikanischen Historiker:innen geschrieben, um die Tiefgründigkeit der afrikanischen Geschichte darzustellen. Ich hatte deshalb auch Kontakt aufgenommen zu Frau Professorin Lindner, die an der Universität Köln die Geschichte des Kolonialismus unterrichtet. Sie meinte, Wissenschaftler:innen könnten es auch auf Englisch und Französisch lesen. Aber die Wissenschaft ist nicht der Adressat dieses Buchs. Wir wollen damit in die Schulen und in die Gesellschaft gehen. Und wir müssen dabei unabhängig bleiben. Eine Förderung zur Übersetzung war an die Bedingung geknüpft, nur einen Teil der Bände zu übersetzen. Da habe ich gesagt, dass wir das Geld nicht annehmen.

Glenda Obermuller: Bestimmte Weiße Vereine bekommen eine große Förderung, aber die Schwarzen Vereine bekommen nur geringe Mittel: Das haben ich bei vielen kulturellen und politischen Projekten erlebt. Bestimmte Menschen haben sehr viel Förderung bekommen und die Communitys kommen oftmals deutlich zu kurz, so dass ein großer Teil ehrenamtlich geleistet werden muss. Das ist nicht fair. Ich denke, wir müssen uns als Communitys unsere eigenen Räume schaffen. Für die Theodor Wonja Michael Bibliothek haben wir uns die Bücher selbst organisiert. Natürlich wäre es schön, wenn wir dafür Unterstützung von der Stadt Köln bekämen, aber so lange warte ich nicht. Dann mache ich lieber meine eigene Sache. Da stimme ich zu, wir müssen unabhängig bleiben!

Frau Obermuller, eins Ihrer Ziele ist es, über Erzählungen ein Bewusstsein für die Pluralität Schwarzer Geschichten zu schaffen. Für wen erzählen Sie diese Geschichten: Für ein eher Weißes oder Schwarzes Publikum?

Glenda Obermuller: Ich tue das, weil es mir Spaß macht und weil es notwendig ist. Wir müssen unsere eigenen Geschichten erzählen, mit eigener Perspektive, über unsere Aktivist:innen und vor allem auch die positiven Geschichten, fernab von Leid oder Krankheit. Das tun wir für uns. Generell brauchen wir das Miteinander und Begegnungen, um einander besser verstehen zu können.

Allahdoum Boulo Moulkohg: Wenn wir hier aktiv werden, dann erstmal, um unser Selbstwertgefühl zu stärken. Die Negativität, die wir erfahren, lässt das schrumpfen. Aber wir wollen uns darstellen und so zur allgemeinen Humanität beitragen. Ich bin vor 45 Jahren zum Studium nach Deutschland gekommen und ich hatte immer im Hinterkopf: »Du wirst eines Tages nach Hause gehen, weil du von Vornherein schon weißt, Du bist nicht akzeptiert.« Das muss ein Ende haben, wir müssen der jüngeren Generation sagen, dass sie jetzt hier zu Hause ist.

Natnael Mekuryia: Auch wenn ich nach Kenia oder Uganda reise, zeige ich ja meine eigene, äthiopische Kultur. Für mich ist es nicht schwierig, die europäische oder westliche Kultur zu akzeptieren. Wir haben als Kinder in unserem Heimatland ein positives Bild von Europa vermittelt bekommen und wir wollen, dass dieses Bild für uns wahr wird.

Dr. Rahab Njeri: Wir zeigen seit 500 Jahren unsere Kultur und kommen nicht weiter damit. Wir müssen um Akzeptanz bitten, aber wir haben die weiße Kultur zu akzeptieren. Das hat die Generation vor meiner so gemacht, aber meine Generation will das nicht mehr. Wir wollen strukturelle Veränderungen in der Schule und auch schon im Kindergarten. Wir wollen eine gute Wohnung bekommen. Und wenn man die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte ernst nimmt, dann muss man auch die Communitys und ihre Räume, wie die Sonnenblumen Community, mit finanziellen Ressourcen ausstatten.

Wie ist es, wenn man in Bereichen arbeitet, die nicht so sehr von öffentlicher Förderung abhängen wie Musik oder Literatur? Herr Mekuryia, Sie importieren Kaffee aus Äthiopien. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Natnael Mekuriya: Mein Vater ist seit über 50 Jahren Kaffeebauer. 2014 habe ich gesehen, wie jemand in Deutschland Sidama-Kaffee verkauft hat — benannt nach einer Region in Äthiopien. Ich habe mich gefreut, es war wie Heimat für mich. Dann habe ich die Person gefragt, woher der Kaffee kommt. Und er meinte: aus Hamburg. Wir haben dann Nummern getauscht, damit er den Kaffee meines Vaters importiert. Das hat nicht geklappt. Aber seitdem träume ich davon, Kaffee aus Äthiopien zu importieren. Das Kaffeegeschäft ist nicht einfach und ich habe viele Versuche gemacht, 2021 habe ich schließlich meinen eigenen Onlineshop gestartet. Und jetzt träume ich davon, ein eigenes Café zu eröffnen.

Gibt es denn viele Geschäfte in Köln, die Schwarzen Menschen gehören?

Glenda Obermuller: Wir haben letztes Jahr ein Event im Kunsthafen gehabt, wo sich zwei Tage lang Black Businesses präsentieren konnten und wo wir Workshops angeboten haben. Es ist wichtig, dass Schwarze Menschen nicht immer nur über Rassismus reden, sondern sich auch wirtschaftlich aktiv positionieren. Ein Beispiel dafür wäre MomentosBox, ein Unternehmen von Tutu Westerhoff. Sie stellt Kissen, Schals und andere Textilien mit ihren eigenen Mustern her, alles öko. Natürlich fehlt uns immer Kapital, denn wir besitzen keinen vererbten Wohlstand, den wir von Generation zu Generation weitergeben. Wir fangen immer bei Null an.

Nely Daja: Es gibt eine App, My Afro City, die Schwarzes Business zusammenbringt, was ich super schlau finde. Durch jahrhundertelange Auswirkungen von Rassismus und Unterdrückung sehen wir manchmal gar nicht die Möglichkeiten, die wir eigentlich haben. Und das, finde ich, ist ein Schlüsselthema: Ressourcen zusammenzubringen und auch wertzuschätzen.

Varinia Akua: Ich würde das auch alles wahrnehmen, weil ich mich einfach wohler fühle, wenn es von Schwarzen Leuten gemacht wird — egal ob Lebensmittelladen, Schwimmunterricht oder Friseur. Für mich ist es eine Riesenerleichterung, wenn ich mir einfach mal meine Haare ohne Wertung machen lassen kann.

Glenda Obermuller: Das »Buy-Black-Movement« kommt ja so langsam aus den USA nach Deutschland. Der Markt für Haarprodukte  ist sehr groß, immer wenn in den Sozialen ­Medien ein neues Produkt für Schwarze ­Menschen gepostet wird, kommt direkt die Frage: Gehört denn dieses Business auch Schwarzen Menschen?

Vielleicht können wir zum Schluss nochmal auf die Frage des Zugangs zu sprechen kommen. Viele Institutionen sehen ja selbst, dass sie ein Problem haben, dass sie zu Weiß sind. Im Gespräch wurde die Offene Jazz Haus Schule erwähnt, es gibt weiterführende Schulen, die den Black History Month feiern und sich als »Schule gegen Rassismus« verstehen. Aber trotzdem sind die Zugänge zu diesen Institutionen weiter exklusiv.

Dr. Rahab Njeri: Ja, das ist ein Problem. Wir brauchen institutionelle Lösungen: Gibt es Förderprogramme für Kinder aus bestimmten Klassen? Wie kann man Eltern aus den Communitys unterstützen, die sich keine Nachhilfe oder die Musikschule leisten können? Da kommt die Frage nach der Sozialen Klasse ins Spiel, die wie Rassismus den Zugang zu Ressourcen regelt. Die Schulen könnten solche speziell zugeschnittenen Programme aufsetzen. Aber das geschieht nicht. Der Rassismusforscher Karim Fareidooni sagt, dass dadurch ein Problem konstruiert wird: Es heißt, die Kinder könnten bestimmte Dinge nicht, weil sie aus Migrantenfamilien kommen.

Glenda Obermuller: Diese Förderprogramme können zum Nachteil für unsere Kinder werden, zum Beispiel, wenn Kinder keine Gymnasialempfehlung bekommen, weil sie in einem solchen Förderprogramm waren. Den Eltern wird aber erklärt, dass das wichtig ist und sie ihre Kinder da reinstecken müssen. Dabei geht es auch um Subventionen für diese Förderung, die die Schulen nicht verlieren wollen. Die im Gespräch genannten Beispiele sind nur ein paar von vielen. Insgesamt machen wir viele Fortschritte, aber die sind so hart erkämpft und es scheint sogar Rückschläge zu geben. Trotzdem machen wir weiter und sind immer noch hoffnungsvoll. Für mich gibt es keine Alternative dazu.

 

Sonnenblumen Community Development Group

Unser Roundtable hat in den Räume der Sonnenblumen Community in der Victoriastraße stattgefunden. Sie ist einer der wichtigsten Anlaufpunkte für die Schwarzen Communitys in Köln. Sie können hier Workshops, Treffen oder Beratung abhalten, im Keller gibt es die Möglichkeit, Sport und Musik zu machen. Glenda Obermuller, die dem gemeinnützigen Verein vorsteht, ist zudem Multiplikatorin, die Aktivist:innen vernetzt und immer wieder auf Veranstaltungen und Initiativen Schwarzer Menschenin Köln hinweist.

Victoriastraße 6-8, 50668 Köln,
facebook.com/SCDGGermany

 

Theodor Wonja Michael Bibliothek

Die Theodor Wonja Michael Bibliothek, ebenfalls in der Victoriastraße, ist die erste Schwarze Bibliothek in Nordrhein-Westfalen. Sie speist sich aus den Beständen des ehemaligen Diplomaten und NS-Überlebenden Theodor Wonja Michael, der lange in Köln gelebt hat und hier eine prominente Figur Schwarzen Lebens wurde. Die Bibliothek ist jeden Sonntag geöffnet und bietet regelmäßig Lesungen und Diskussionsrunden zu Schwarzer Literatur und Geschichte an. Zudem bietet die Bibliothek einen großen Bestand an Kinder- und Jugendlite­ratur, die sich speziell an Schwarze ­Menschen richtet. Erst vor kurzem hat auch der Bestand der Bibliothek der Literaturreihe »stimmen afrikas« in die ­Theodor Wonja Michael Bibliothek ein neues Zuhause gefunden.

Victoriastraße 6-8, 50668 Köln,
twm-bibliothek.de