Maria Mies (1931–2023), Foto: Malin Kundi

Die Weltveränderin

Ein Nachruf auf die Soziologin Maria Mies

Die Welt nicht zu interpretieren, sondern sie zu verändern — für Maria Mies war dies immer ein Leitbild. Ihr Leben wie ihre Forschung widmete die Soziologin den Lebensumständen von Frauen — stets mit dem Ziel, diese zu verbessern.

In den 60er Jahren gab Mies Sprachkurse im Goethe-Institut im indischen Pune. Damals fiel ihr auf, dass viele Frauen diese Kurse belegten, obwohl sie diese nicht unmittelbar ökonomisch verwerten konnten. Die Schule zu besuchen war für diese Frauen ein Mittel, um das damals fast unausweichliche Leben als Ehefrau noch ein wenig hinauszuzögern.

Vielleicht erinnerten sie Mies an ihr eigenes Leben. Als siebtes von zwölf Kindern einer Bauernfamilie 1931 in der Eifel geboren, war sie die erste in ihrer Familie, die Abitur machte und studierte.

Als Maria Mies 1967 aus Indien nach Deutschland zurückkehrte, wurde sie durch die Studierendenbewegung politisiert. Sie las Betty Friedan und Karl Marx, nahm an Demos gegen den Vietnamkrieg und den Nachtgebeten der feministischen Theologin Dorothee Sölle teil. 1972 promovierte Mies sich in Soziologie an der Universität zu Köln; das Thema ihrer Doktorarbeit: »Indische Frauen zwischen Patriarchat und Chancengleichheit: Rollenkonflikte studierender und berufstätiger Frauen«.

Immer wieder würde Mies in den folgenden Jahren die Lebensrealität von Frauen nutzen, um die Annahmen linker Sozialtheorie zu überprüfen. So räumte sie etwa Subsistenzarbeit, die in der Landwirtschaft oder im Haushalt ausgeführt wird, eine zentralere Rolle in der Entwicklung des Kapitalismus ein als die Klassiker des Marxismus.

Mies’ Feminismus war dabei kämpferisch, ökologisch und antimilitaristisch zugleich. Eine Frau aus Verteidigungs- oder Außenministerin war für Mies kein feministischer Fortschritt, im Gegenteil. Feminismus war für sie eine Kritik der Gewalt: der Gewalt an der Natur wie auch Gewalt an Frauen. Dieser Gewalt setzte sie Taten entgegen, als sie 1976 in Köln mit vielen anderen gegen den Widerstand der Stadtverwaltung das erste autonome Frauenhaus mitbegründete. Ihre Schrift »Ökofeminismus«, die sie 1995 ­gemeinsam mit Vandana Shiva veröffentlichte, wirkt aus heutiger Sicht wie ein theoretischer Vorläufer der Degrowth-Bewegung.

1993 wurde Maria Mies emeritiert und konzentrierte ihre Aktivität auf die globalisierungskritische Bewegung. 2000 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern von Attac. 2008 erschien ihre Autobiographie »Das Dorf und die Welt«, die eindringlich schildert, wie ihr Leben eine Ausnahme von den Verhältnissen war.

Die letzten Lebensjahre verbrachte sie gemeinsam mit ihrem Partner Saral Sankar in einem Altersheim im Kölner Süden. Am 15. Mai ist Maria Mies im Alter von 92 Jahren gestorben. Sie wurde auf dem Melaten-Friedhof beigesetzt.