Dem Mülleimer so nah: Wilde Abfälle in Köln, Foto: Susanne Troll

Jetzt wird’s wild

Sommersaison ist Müllsaison: In Köln wird wilder Müll ein immer größeres Problem

Cordula Beckmann kennt das Freizeitverhalten der Menschen in Köln — auch wenn sie sich vor allem damit beschäftigt, was von langen Nächten übrigbleibt. »Wenn die Wetterprognosen gut sind, wissen wir, was auf uns zukommt«, sagt die Sprecherin der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB): Pizzakartons, Verpackungen von Grillkohle oder Würstchen, Pappbecher oder leere Flaschen. Das Problem für die AWB ist nicht bloß der Müll, sondern dass viele Abfälle nicht dort landen, wo sie sollten. »Littering« ist der Oberbegriff für die Vermüllung des öffentlichen Raums und bundesweit eines der größten Probleme der Abfallwirtschaft.

Gemeint sind damit zwar auch Zu-verschenken-Kisten oder alte Autoreifen im Graben. Vor allem in den Sommermonaten aber ist das Phänomen ausgeprägt. »Sobald die Leute draußen essen und trinken, ist das Problem besonders groß«, berichtet Beckmann. »Wir beobachten einen Trend zur Mediterranisierung. Die Menschen nutzen den öffentlichen Raum verstärkt, um sich dort aufzuhalten«, so Beckmann. Sie spricht von einer »grundsätzlich schönen Entwicklung«. Doch wo sich mehr Menschen aufhalten, entsteht auch mehr Müll. »Corona hat der Entwicklung noch mal einen Schub gegeben«, so Beckmann.

Die AWB versuchen, wilden Müll einzuhegen. Von insgesamt 23.000 Papierkörben in Köln stehen 7600 in Grünanlagen und auf Spielplätzen. Außerdem gibt es dort 25 größere unterirdische Entsorgungsbehälter, und 30 brand­sichere Behälter für Grillasche. Im Sommer stellen die AWB zusätzlich Container für Picknickabfälle auf.

Doch reicht auch das nicht aus? »Littering ist kein Problem der Infrastruktur, sondern der Menschen, die die Infrastruktur nicht nutzen«, findet Beckmann. Um mehr Menschen fürs Thema zu sensibilisieren, arbeiten die AWB präventiv. Im Sommer gehen Grill-Scouts durch die Parks, klären auf und verteilen Müllsäcke. Ganzjährig besucht man Schulen und Kitas. »Ich würde gerne sagen: Seit wir das machen, nehmen die Müllmengen ab«, sagt Beckmann. Doch das Gegenteil sei der Fall. »Aber jeden, den wir erreichen, ist einer mehr, der sich künftig vielleicht anders verhält.« Damit die Kölnerinnen und Kölner möglichst wenig von wilden Abfällen mitbekommen, ist im Sommer die sogenannte Picknickreinigung im Einsatz — an Wochenenden und Feiertagen, jeweils ab 6 Uhr. Sie sammelt laut AWB 3000 Tonnen Müll im Jahr. Damit ist Littering auch eine finanzielle Belastung: Wilder Müll kostet die Stadt laut AWB im Jahr circa 13 Mio. Euro.


Wo Menschen sind, da ist Müll
Christian Stock, Vorstand vom Verein K.R.A.K.E.

Auch Christian Stock sammelt Müll — allerdings nicht hauptberuflich. Der Vorsitzende des Vereins Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit (K.R.A.K.E.) ist Kölns bekanntester Müllsammler. Er hat viele Menschen zu Sammelaktionen zusammen­gebracht und ist dafür verantwortlich, dass im Rhein eine »Müllfalle« schwimmt. Stock sagt, wilden Müll könne man nie komplett verhindern. »Wo Menschen sind, da ist Müll. Das war schon immer so.« Dennoch sei der Ist-Zustand ein Problem, vor allem im Sommer auf Erholungsflächen. Er richtet Forderungen an Politik und Behörden: »Eigenverantwortung ist wichtig. Was aber wirklich hilft, sind Reglementierungen und Gesetze.« Und Behörden, die etwa das Verbot von einigen Einwegplastikprodukten, das seit 2021 greift, oder die Verpflichtung für Gastronomen, Mehrwegboxen im Take-away-Geschäft anzubieten, die seit Januar gilt, kontrollieren. Auch die Stadt Köln könne mehr tun. »Bei Veranstaltungen, die auf öffentlichen Flächen stattfinden, müsste Mehrweg Pflicht sein.« Köln firmiert zwar seit 2021 als »Zero Waste City«, bisher aber prüft man bloß die Möglichkeiten, eine Mehrwegpflicht einzuführen, wo es rechtlich möglich wäre. Andere Städte sind weiter. Gerade erst hat etwa Osnabrück eine solche Abfallsatzung beschlossen.

Stock sieht es als Verdienst der K.R.A.K.E., dass mehr Menschen in Köln etwas gegen wilden Müll tun wollen: »Früher war es stigmatisiert, wenn man sich nach dem Abfall von anderen gebückt hat. Mittlerweile ist Müllsammeln sexy.« Auch bei der AWB beobachtet man eine Sensibilisierung. »Wir bekommen mehr Littering-Meldungen. Es gibt mehr Menschen, die ein Bewusstsein haben, dass Müll nicht in die Stadt gehört«, sagt Sprecherin Cordula Beckmann.