Carrie Mae Weems, Nicht Manets Typ, 1997. Serie von fünf Gelatinesilberpapieren mit Text auf Passepartout, 63 × 52,5 cm, Museum Ludwig Köln, © Carrie Mae Weems, Reproduktion: Rheinisches Bildarchiv, Köln

Aus dem Abseits

Die Ausstellung »Bild / Gegenbild« im Museum Ludwig präsentiert Fotos von Frauen, die gegen den männlichen Blick gerichtet sind

Wie der Titel der Ausstellung schon ahnen lässt, werden von Tarrah Krajnak, Valie Export, Sanja Iveković, Ana Mendieta und Carrie Mae Weems Gegenbilder entworfen. In diesem Falle Gegenbilder zum traditionell weiblichen Akt-Bild, wie es seit langer Zeit durch die Malerei und Fotografie wabert. Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Arbeit »Master Rituals II: Weston Nudes« von Tarrah Krajnak aus dem Jahr 2020/21. In dieser stellt die 1979 in Lima geborene Künstlerin weibliche Aktfotografien des US-amerikanischen Fotografen Edward Weston nach. Krajnak inszeniert diese in der Doppelrolle als Model und Fotografin und bestimmt per Selbst­auslöser das Bild. Damit greift sie die hierarchische Beziehung des traditionell männlichen Künstlers als handelndes Subjekt und des in die Passivität verdammten weiblichen Models auf und lässt sie ins Leere laufen. Der weibliche Akt ist historisch passiv, sexualisiert und Produkt eines männlichen Blicks, wie die Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey 1975 die Darstellungen von Frauen im Film beschrieb.

Kranjak reiht sich in eine Geschichte von feministischen Künstlerinnen ein, die ihre weiblich gelesenen Körper zum Gegenstand ihrer Arbeiten machten. Wie etwa die österreichische Künstlerin Valie Export oder die 1949 in Zagreb geborene Sanja Iveković, die sich in den von ihnen ausgestellten Arbeiten mit der Trennung des öffentlichen und privaten Raumes beschäftigen. Etwa wenn Valie Export ihren Körper auf den Fotografien »Körperkonfigurationen« von 1976 in das Wiener Burgtheater einfügt. Dieses wurde im 19. Jahrhundert erbaut, einer Zeit, in denen die noch heute bekannten Geschlechterrollen entworfen und die Frau ins Private verdrängt wurde, während das männliche Genie im Draußen flanieren ging.

Die auf Kuba geborene Ana Mendieta, machte sich 1972 in ihrer Abschluss­performance an der Kunsthochschule zum Dandy, als Sinnbild für den männlichen Künstlertypus. Auf den Fotografien, die die Performance dokumentieren, ist zu sehen, wie sich ein Kommilitone Mendietas seinen Bart abschneidet, den sie sich wiederum anklebt: der Drag-Dandy unterläuft den männlichen Blick und kritisiert, dass der sexualisierte weiblich gelesene Körper in der männlich dominierten Kunstwelt nicht gleichzeitig Künstlerin sein kann.

Krajnaks Nachinszenierungen dekonstruieren den Akt nicht nur als passives Objekt, sondern markieren ihn auch als »weiß«, denn wie bell hooks beschreibt, bezieht sich der von Mulvey beschriebene männliche Blick lediglich auf die Darstellung und Rezeptions­erfahrung von weißen Frauen. So lautet der Titel der fünf Schwarz­weiß­fotografien der afro­ameri­ka­nischen Künstlerin Carrie Mae Weems von 1997 »Not Manet’s type« und verweist darauf, dass Schwarze Frauen als Models in der Malerei europäischer Maler so gut wie nicht vorkamen. Auf den Fotografien ist die 1953 in Portland geborene Weems in unterschiedlichen Posen, darunter ein Akt, über den Umweg eines Spiegels zu sehen. Dieser weist die Betrach­ter*innen ebenfalls in ihre Schranken, entlarvt er sie als Voyeurist*innen. Ein Gedicht neben den Fotografien verdeutlicht den »unsicheren Grund« auf dem Smith steht, denn ihr fehlen die Vorbilder und so wird sie selbst zu einem.

Die Ausstellung löst ihren Titel ein und entwirft Gegenbilder zum traditionell weiblichen Akt, Bilder, die zurückschauen und die Betrach­ter*innen mit ihren Blicken konfrontieren. Sie überlässt nicht nur weißen Positionen die feministische Geschichtsschreibung und löst Mendietas schon Ende der 1970er formulierte Kritik an feministischen Kunsträumen für ihre Ausblendung von Rassismen ein. Allerdings steht die gut kuratierte Ausstellung selbst im Abseits und das wortwörtlich: Um in ihre zwei kleinen Räume zu gelangen, müssen nicht nur zwei Stockwerke erklommen, sondern Räume der Dauerausstellung passiert werden, in denen — wer hätte es gedacht — Aktmalereien hängen. Zwar nicht von Manet, aber von Expressionisten, allen voran Ludwig Kirchner, der unter anderem für seine ungeklärten Beziehungen zu seinen minderjährigen Aktmodels bekannt ist.

So führt der Weg zu den Gegenbildern an den dort kritisierten Bildern vorbei. Während diese jedoch im Kanon der Dauerausstellung hängen, bleiben die Gegenbilder ein in der hintersten Ecke des Museums temporäres Projekt.

Museum Ludwig, bis 27.8.; Di–So 10–18 Uhr, Jeden 1. Do im Monat: 10–22 Uhr