Geisterhäuser unter Schutz

In Köln stehen Häuser ­jahrelang leer, obwohl eine Satzung dies ver­bietet. Die Stadt kann nur wenig gegen den Leerstand ausrichten. SPD und Linke fordern schärfere ­Gesetze

Die Fassade schmutzig-beige und von Graffiti überzogen, statt eines Klingelbretts ragen Drähte aus der Wand. Das Haus an der Engelbertstraße 37 stehe »seit mehr als zehn Jahren leer«, berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger im Mai 2023. Wem gehört das Haus in bester Innenstadt-Lage? Der Eigentümer heißt laut Grundbuch Michael Johannes Sch., zu erreichen in Bergisch Gladbach. Dort erfahre ich, Herr Sch. sei nicht zuhause. Eine Dame rät, Kontakt mit Schloss Gartrop in Hünxe, einem Hotel, aufzunehmen. »Die Unternehmerfamilie Sch. hat die Immobilie gekauft«, lese ich auch in einem Zeitungsbericht. »Sie betreibt auch das Hotel und das Restaurant.« Ich rufe im Schlosshotel Gartrop an, bitte um Rückruf, schreibe eine E-Mail. Doch niemand meldet sich.

Das Geisterhaus in der Engelbertstraße 37 ist kein Einzelfall. Diverse Häuser in Köln stehen seit Jahren leer — und der Stadt gelingt es nicht, den Missstand zu beenden, obwohl die Wohnraumschutzsatzung der Stadt es verbietet, Wohnungen ohne triftigen Grund länger als sechs Monate dem Wohnungsmarkt zu entziehen. Bei Zuwiderhandlung droht ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro. Bereits im Juli 2021 berichtete die Stadtrevue über Zweckentfremdung von Wohnraum. Damals recherchierte ich zu 25 Immobilien in Köln, die ganz oder teilweise leer standen. Was ist aus diesen Häusern geworden?

Bei lediglich fünf Häusern hat sich die Lage verändert. Zwei sind wieder bewohnt — die Hansemannstraße 49  in Ehrenfeld und die Wittekindstraße 42  in Klettenberg. Eines wurde mit Genehmigung abgerissen, zwei werden derzeit saniert oder umgebaut. Bei zwei weiteren Immobilien steht ein genehmigter Abbruch bevor — wann, ist offen.   

Leerstand herrscht weiterhin im schmucken Wohnhaus in der Mayener Straße 14 in Lindenthal. Die Eigentümerin heißt Annemarie W. Bei der Stadt kennt man den Fall seit Jahren und berichtet auf Anfrage von der »wiederholten Festsetzung von Zwangsgeldern« — bislang offenbar ohne Erfolg. Weiterhin leer steht auch die Villa in der Parkstraße 8 in Müngersdorf. »Die Instandsetzung und Wiederzuführung zu Wohnzwecken wurde angeordnet«, heißt es. Unbewohnt bleibt auch das Haus am Mauritiussteinweg 35/37 in der Innenstadt. Dort stoppte die Stadt »illegale Bautätigkeit«. Einen traurigen Anblick bietet nach wie vor das Haus an der Kempener Straße 93 in Nippes. Ein trutzig wirkender gelber Kasten, Fenster mit Spanplatten abgedeckt, im Erdgeschoß leere Gewerberäume. »Erhebliche Wohnungsmängel« sowie »Mängel im Treppenhaus«, hat die Stadt hier ausgemacht. Kein neuer Befund. »Stadt prüft Haus auf Verwahrlosung«, berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger bereits 2020. Trotz vieler Proteste stehen auch die Gebäude unverändert leer, die dem russischen Staat gehören (Friedrich-Engels-Straße 3–7, Aachener Straße 240–244, Classen-Kappelmann-Straße 47). Laut Medienberichten vom März versucht eine Kölner Stiftung, die Häuser zu erwerben. Der Stadt indes »liegen keine Informationen bezüglich Verhandlungen vor«.

Nach eigenen Angaben prüft die Wohnungsaufsicht aktuell bei 1.587 Wohnungen, ob Zweckentfremdung durch Leerstand vorliegt. 24 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich um Leerstand, einschließlich der illegalen Vermietung von Ferienwohnungen, zwei weitere Stellen sind unbesetzt. Im Jahr 2022 leitete die Wohnungsaufsicht wegen Leerstands 14 Bußgeldverfahren ein, die sich auf 41 Wohnungen beziehen.


Eigentümer profi­tieren auch dann, wenn sie keine Miete einnehmen

Gänzlich passen muss das Wohnungsamt, wenn »Bestandsschutz« vorliegt. Der gilt für Mietwohnungen, die bereits 2014 leer standen, vor Inkrafttreten der ersten Wohnraumschutzsatzung, sowie für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser, die vor 2019 leer standen, als die ergänzte Wohnraumschutzsatzung in Kraft trat. Bestandsschutz gilt laut städtischem Presseamt für die Glasstraße 6 (Ehrenfeld), Neusser Straße 39 (Agnesviertel), Niehler Straße 301 (Niehl) und Senefelder Straße 74 (Ehrenfeld). Im Fall Engelbertstraße 37 zog die Stadt sogar vor Gericht — und unterlag. Auch hier hatten die letzten Mieter lange vor 2014 das Haus verlassen müssen. Keine Zugriffsmöglichkeit hat die Stadt zudem, wenn es sich nicht um Wohnraum handelt, sondern um Hotelzimmer. Oder wenn das Gebäude so marode ist, dass die Räume nicht mehr zum Wohnen geeignet sind.

Was die Eigentümer freuen dürfte. Viele profitieren auch dann, wenn ihre Immobilie keine Mieteinnahmen abwirft. Denn in wachsenden Großstädten wie Köln sind Flächen begrenzt und die Nachfrage nach Wohnraum groß. Das treibt die Preise für Grundstücke und Wohngebäude in die Höhe, ganz automatisch. Zudem erzielen manche Immobilien höhere Preise, wenn sie unvermietet auf den Markt kommen. Neue Eigentümer haben es dann leichter, das Gebäude aufwändig zu sanieren — mit Mietern, die auf ihre Rechte pochen, müssen sie sich nicht plagen.

Was kann man tun, um der Stadt Köln mehr Werkzeuge im Kampf gegen Leerstand an die Hand zu geben? Michael Frenzel, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD, verweist auf das Wohnraumstärkungsgesetz des Landes. Dieses Gesetz schreibt vor, was in den kommunalen Wohnraumschutzsatzungen stehen darf und was nicht. Die SPD, so Frenzel, habe bereits 2019 das Ende des Bestandsschutzes gefordert. »Wir werden die Verwaltung beauftragen, auf die Landesregierung ­einzuwirken, bei der anstehenden Überarbeitung des Wohnraumstärkungsgesetzes den Bestandsschutz endlich zu regeln.«

Auch Michael Weisenstein, Ratsmitglied der Linken, und Wohnungsaktivist Kalle Gerigk fordern, den Bestandsschutz abzuschaffen. Gerigk missfällt zudem, dass die gegenwärtige Kölner Satzung Leerstand unter Umständen erlaubt, wenn der Eigentümer Geld auf den Tisch legt. Mit derlei Ausgleichszahlungen sei »noch kein Ersatzwohnraum geschaffen«, so Gerigk. Die Stadt solle zudem beim Verhängen von Bußgeldern ihren Spielraum nutzen — und »zum Maximum hin erhöhen«.

Christine Seiger, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, erklärt: »Gut ist, wenn über die Zweckentfremdung von Wohnraum kritisch ­berichtet und gesprochen wird.« Das präge das gesellschaftliche Klima und bestärke das Vermieten. Seiger äußert jedoch auch Verständnis für die Eigentümer ­kleiner und mittlerer Gebäudebestände. Es könne durchaus sein, »dass es für einen noch unbestimmten Zeitraum eine Ratlosigkeit gibt, was als Nächstes zu tun sei: Verkauf? Sanierung? Abriss? Umnutzung?« Anlass, weitere Eingriffsmöglichkeiten zu fordern, sieht Christine Seiger nicht.

In Klettenberg steht das stattliche Doppelhaus Siebengebirgsallee 120–122 weiterhin leer. Allerdings wechselte inzwischen der Eigentümer. Neuer Besitzer ist laut Grundbuch der im Karneval aktive Unternehmer G. Wird er das Haus selber nutzen oder vermieten? Anwohnerinnen und Anwohner sind gespannt.