Endlich Ferien!

Ausflüge ans Wasser

Wenn es heiß wird, suchen wir die Nähe zum Wasser – zur Abkühlung, zum ­Erfrischen, zum Trinken. Wasser ist lebensnotwendig und wird im Sommer doch immer häufiger knapp, wenn nach Wochen der Dürre der Rhein kaum noch Wasser führt und die Bäche austrocknen. Gleichzeitig häuft sich der Starkregen, der ­Kölnern überflutete Straßen und Keller beschert. Das liegt am Klimawandel, aber auch daran, dass der Mensch Flüsse und Bäche in schmale Betten gezwungen hat und die Landschaft immer weiter zubetoniert. Wir haben Ausflüge an Orte gemacht, an denen die natürlichen Gewässer in der Vergangenheit stark reguliert oder verschmutzt wurden – und wo die Natur heute langsam wieder zurückkehrt. Außerdem zeigen wir, wie sich die neuen Kölner Trinkwasserbrunnen zu einer schönen Joggingrunde verbinden lassen – und verraten unsere persön­lichen Tipps für Badestellen, Wasserspielplätze und Orte für Wassersport, die nicht so überlaufen und gut mit ÖPNV oder Rad zu erreichen sind.


Sieht aus wie ein Bach!

Auf Wassersuche im Königsforst

Wenn die Kölner kurz Waldluft schnappen wollen, fahren sie gerne in den Königsforst. Dabei ist der Königsforst, sagt Holger Sticht, überwiegend gar kein Wald, sondern »Holz-Anbaufläche«. Überhaupt wird einem jeder Anflug von Waldromantik sogleich ausgetrieben, wenn man mit dem Landesvorsitzenden des BUND im Königsforst unterwegs ist, um etwas über die Kölner Bäche zu erfahren, von ­denen viele in diesem Wald entspringen.

Von der Endhaltestelle der ­Linie 9 sind wir schnell im Wald und gelangen wir über die breite Fors­bacher Straße — hier ist alles darauf ausgerichtet, dass die Forstfahrzeuge bequem durchs Gelände kommen — nach einigen hundert Metern zum ersten Gewässer, das sich um eine »Holz-Plantage« (Sticht) schlängelt. Sieht aus wie ein Bach, ist aber ein Entwässerungsgraben! Wir wenden uns nach rechts, und sehen schon bald den nächsten. Plötzlich scheint man alle paar Meter auf den nächsten Graben zu stoßen. Das Drainagesystem haben vor rund 150 Jahren die Preußen angelegt, um schnell wachsende Fichten und Kiefern anbauen zu können. Früher, sagt Sticht, sei der Königsforst eine vielfältige Moorlandschaft gewesen, die vielen Tieren und Pflanzen einen Lebens­raum bot. Heute ist der Königs­forst größtenteils Mono­kultur — und der trockene Boden bereitet allerlei Probleme. Wenn es extrem viel regnet, wie im Juli 2021, kann der Boden die Wassermassen nicht aufnehmen, und das Wasser rauscht auf die Wohngebiete zu. Das war schon in preußischer Zeit ein Problem. »Bei starkem Regen hatte man in Dörfern wie Rath das Wasser in der Bude«, sagt Sticht. Mit dem Bau von Dämmen und noch höheren in den 1960er und 70er Jahren bekam man das selbst geschaffene Problem aber einigermaßen in den Griff.

Nach einer knappen halben Stunde stoßen wir endlich auf den ersten echten Bach, den Selbach, den man hier im 19. Jahrhundert zum Rather Weiher aufstaute — auch dies zum Schutz vor Hochwasser. Unter einem Wetterpilz sitzend, kann man hier Graureiher beobachten. Der Selbach selbst ist ein bedauernswertes Gewässer. Künstlich tiefer gelegt, ist er kaum von einem Entwässerungsgraben zu unterscheiden. In den vergange­nen Jahren ist er im Sommer stets ausgetrocknet.

Doch im Königsforst soll einiges anders werden. Viele kommen gerade zur Einsicht, dass Moore eine gute Sache sind, nicht nur wegen der Artenvielfalt, sondern auch für den Klimaschutz. Die Bundesregierung gibt viel Geld, damit Moore geschützt oder wieder »vernässt« werden. Auch für den Königsforst gibt es einen Plan, der BUND hat ihn entwickelt. Der Landesbetrieb Wald und Holz, der den Königsforst bewirtschaftet, hat einen kleinen Teil davon umgesetzt. Es braucht bloß denkbar einfache Aktionen, wie hier und da ein Holzbrett in die Entwässerungsgräben zu stecken, damit das Wasser nicht mehr abfließt und die Gräben sich über die Jahre von selbst schließen. An wenigen Stellen im Wichelterbruch stehen solche Abdichtungen bereits, dort nimmt das Wasser schnell eine dunkelbraune Farbe an, und es leuchten gelbe Sumpfschwertlilien. Bald, sagt Sticht, werden hier Schwarzerlen und Moorbirken wachsen.

Dann stehen wir vor einer Lichtung im Dickenbruch und bekommen eine Ahnung davon, wie es im Königsforst mal ausgesehen — und sich angehört hat. Ein grotesk lautes Froschgequake empfängt einen hier, wo, so Sticht, erst vor 40 Jahren das letzte Heidemoor der Forst­wirt­schaft zum Opfer fiel. Seit vier Jahren wird das Wasser mit einem Betondamm wieder angestaut, und langsam kommt das Moor zurück. Etwa zehn Hektar groß ist die dichte Sumpflandschaft, von der man nur einen kleinen Teil überblicken kann. »Man bräuchte schon ein Floß, um hier durchzukommen«, sagt Sticht. Was aber natürlich streng verboten ist. Libellen tummeln sich in dieser wilden Idylle, und als man gerade denkt, wie schön die Seerosen aussehen, sagt Sticht: »Diese Seerosen immer! Die hat hier einer reingesetzt. Davon kann man die Leute einfach nicht abbringen.« Sticht begeistert sich für unscheinbarere Gewächse wie die Flatterbinse oder den stark gefährdeten Fieberklee, der in­zwischen wieder aufgetaucht ist.

Wir gehen zurück auf den Weg und überqueren den Wasserbach, der ebenfalls komplett eingefasst ist, und in dem Sticht dennoch Feuersalamanderlarven und nicht näher definierte Egel entdeckt. Weiter geht es zum Kleinen See­rosenweiher (Stichts Meinung zu diesem Namen können wir uns denken), der ebenfalls als Hochwasserschutzbecken angelegt wurde und dessen Wasser dem Wasser­bach zugeleitet wird. Nun nimmt unsere Wanderung eine interessante Wendung: Wir überqueren den Rather Weg und folgen hinter dem Bethanien-Kinderdorf den Schildern Richtung Wildgehege Brück. Nun sind wir im Brücker Hardt, der noch zum Landschaftsraum des Königsforsts gehört, aber ein Kölner Stadtwald ist. Wenn hier ein Baum umfällt, lässt man ihn liegen — auch rund um den Flehbach, dessen Lauf wir nun folgen. Der Unterschied ist verblüffend: Hier sieht man einen Wald, der seinen Namen verdient, und einen Bach, der sich schlängeln und auch mal über die Ufer treten darf — Ansätze einer Bachaue, wie sie auch die anderen Bäche im Königsforst mal besaßen. Da kann Holger Sticht es sogar verschmerzen, dass ein in den 60er Jahren asphaltierter Weg am Bach entlang führt (»so etwas wäre heute natürlich undenkbar!«). Am Mühlengraben entlang und über einen Hochwasserdamm geht es weiter zur Bushaltestelle Erker Mühle, wo die Tour endet. Ganz am Schluss müssen wir noch einmal den Selbach überqueren, der an dieser Stelle jedoch bereits gänzlich trocken ist. 

Anne Meyer

Start: Endhaltestelle Königsforst, Stadtbahn-Linie 9, Ende: Halte­stelle Erker Mühle, Buslinie 154 (2 Stationen zurück bis » Königsforst«. Strecke: 7 km. Einkehren: Café am Königsforst, ­Rösrather Str. 759, Buchtipp: Holger Sticht: Königsforst, 5 Rundwanderungen, Gaasterland Verlag, 9,80 €.

Tour bei google maps: https://www.google.com/maps/d/edit?mid=19cRjERMAxbfq9rc-NYrXOxJ07DS4BPA&usp=sharing


 

Kloakenkunst

Eine Tour entlang des Emscherkunstwegs von Duisburg nach Bottrop

Beim Thema Wasser auf die Emscher zu kommen, ist ein recht junger Gedanke. Lange galt der Fluss als Kloake des Ruhrgebiets. Anfang der 90er Jahre begann ein großes Renaturierungsprogramm, das im vergangenen Herbst abgeschlossen wurde. Schon etwas länger wirbt das Ruhrgebiet mit seinen Radrouten entlang des Flusses und seiner Nebenarme. Für kulturinteressierte Radler:innen wie mich bietet sich der »Emscherkunstweg« an, der in fünf Etappen von Dortmund nach Duisburg führt. Zwei dieser Etappen stelle ich mir zu einer Tour zusammen: knapp 45 Kilometer, gut für einen Tagesausflug.

An Fronleichnam setze ich mich in den Zug nach Duisburg. Dort angekommen geht’s mit dem Rad nach Meiderich zum Landschaftspark Nord. Auf der Fahrt dorthin lassen sich gleich einige Punkte auf der Ruhrgebiets-To-See-Liste abhaken: Kleingärten, Fußballplätze mit schreienden Jugendtrainern, die Ruhr. Ein besonders lohnenswerter Schlenker führt durch die Ratingsee-Siedlung , errichtet Ende der 1920er Jahre im Stil des Neuen Bauens. Ich komme mit einem 83-­jährigen Bewohner ins Gespräch, der seit seiner Geburt dort lebt und mit sechs Geschwistern in einem der rund 50 Quadratmeter großen Häuser aufgewachsen ist.

Kurz darauf erreiche ich den Land­schaftspark Nord , ein altes Hüttenwerk. Erwartet hatte ich eine ruhige Aussicht vom Hoch­ofen, bekommen habe ich einen Basketball Court, Fressbuden und einen Parcours für Cross Fit. Es ist der erste Tag der »Ruhr Games«, der Landschaftspark ist voll. Nachdem ich ein paar gelungene Sprünge an der Motorrad-Schanze und ein paar weniger gelungene beim Stabhoch­sprung gesehen habe, setze ich mich wieder aufs Rad.

Die nächste Etappe ist ein Traum: Auf einem gut ausgebauten Radweg geht es Richtung Nordwesten zum ersten Kunstwerk: »Neustadt«  von Julius von Bismarck und Marta Dyachenko. Die Künstler:innen haben eine Stadt aus Minia­turen gebaut, die nach abgerissenen Bauten aus dem Ruhr­gebiet modelliert sind: der VHS in ­Essen, einer Wohnsiedlung in Marl oder einem alten Hallenbad. Mich erinnern sie an die Verheißungen des sozialdemokratischen Städtebaus, von denen die Kinder, die heute im Kunstwerk spielen, keine Ahnung mehr haben dürften.

Etwas melancholisch gestimmt setze ich meine Tour entlang der Kleinen Emscher fort und bekomme gleich bessere Laune. Am ehemaligen Abwasserkanal wachsen Bäume, Büsche und Blumen, der Schotterradweg ist angenehm leer. Im Revierpark Mattlerbusch lege ich eine Pommes-Pause ein, bevor es zum »Play_Land« in Oberhausen-Holten geht. Mit Kindern und Jugend­lichen hat die Künstlerin und Architektin Apolonia Šušteršič einen Jugendtreff entworfen, mit viel Beton und Grün. Viel los ist in der prallen Sonne nicht: Vor der Tür wartet ein Junge, der einen Ball aus­leihen will, in den Klettergeräten aus Beton und Röhren spielen ein paar Kinder. Ich nehme die Röhren­rutsche vom Dach des Jugendtreffs (auf keinen Fall auslassen!) und setze mich wieder aufs Rad.

Am neongrünen Pumpwerk Oberhausen mache ich einen Zwischenstopp. Das Werk sorgt dafür, dass das Abwasser über einen Kanal anstatt über die Emscher nach Dinslaken ins Klärwerk geleitet wird. 2021 wurde es in Betrieb genommen. Die Emscher konnte man nach 30 Jahren Umbau und Renaturierung endlich mit Frischwasser fluten. Der Aufwand hat sich gelohnt. Der Radweg Richtung Oberhausen ist wunderbar entspannt, der Wind riecht gut und das Wasser glänzt in der Sonne.

Beim Stadion von Rot-Weiß Oberhausen biege ich zum Rhein-Herne-Kanal  ab. Hier liegt das nächste Kunstwerk: »Slinky Springs to Fame« von Tobias Rehberger . Rund 400 Meter ist die Brücke lang, deren Design dem Kinderspielzeug »Slinky« nachempfunden ist. In zehn Metern Höhe läuft man auf Tartanplatten über dem Rhein-Emscher-Kanal, und man erinnert sich an die Kinderspielplätze, die früher mit diesen Platten ausgelegt waren. Von der Mitte der Brücke schaue ich auf meine letzte Etappe: entlang des Rhein-Herne-Kanals in den Bernepark nach Bottrop.

Nördlich und südlich der Strecke befinden sich Skulpturen, die ich aber auslasse. Ich will ankommen, aber die letzten Kilometer tue ich mich schwer. Der Weg am Kanal besteht aus Kies mit Schlaglöchern oder aufgeplatztem Beton, hinzu kommt Gegenwind. Als ich auf das Areal der ehemaligen Kläranlage rolle, wünsche ich mir nur noch ­einen ruhigen Platz im Schatten. Würde ich hier übernachten wollen, hätte ich eine von fünf Betonröhren dafür buchen können. Aber ich will zurück nach Köln, also schlendere ich mit einem Eis durch die Blumen­beete des »Theaters der Pflanzen«. Der Gartenkünstler Piet Oudolf und die Landschaftsarchitekten Gross.Max haben dort einen runden Garten angelegt, der je nach Saison unter­schiedlich blüht. Eine schöne Idee, die ihren Charme jedoch vor allem daraus zieht, dass dafür ein ehemaliges Klärbecken genutzt wurde. Es ist ein wenig wie mit der gesamten Radtour: Erst das Wissen, dass all dies im Kontext der Umgestaltung einer ehemaligen Indus­trielandschaft geschieht, macht sie zu etwas Besonderem. So viel Vorstellungsvermögen muss sein. Auf dem Dach einer Gaststätte sehe ich ein Kunstwerk von Lawrence Weiner im Stil einer 50er-Jahre-Werbung. »Catch as catch can«, steht dort: Nimm es, wie es kommt. Das tue ich. Eigentlich wollte ich vom Bottroper Bahnhof zurück, aber die Verbindung nach Köln ist umständlich.

Also setze ich mich wieder aufs Rad, um die letzten sieben Kilometer zum Hauptbahnhof Oberhausen zu fahren. Am Kanal geht es dank Rückenwind flott voran, aber in der menschenleeren »Neuen Mitte« Oberhausens rund um Centro und Arena werde ich von Ampeln ausgebremst. Nach einer halben Stunde Fahrt komme ich am Hauptbahn­hof an. Die Tour ist fertig, ich auch.

Christian Werthschulte

Anreise: RE1/RE5 nach Duisburg Hbf, zurück mit RE5 von Oberhausen. Fahrrad­mitnahme ist möglich, benötigt aber ein Ticket. Einkehren: Café-Restaurant sowie Imbiss im Schatten der Bäume des Oberhau­sener Kaisergartens nahe der »Slinky Springs«, Büdchen im Revierpark Mattler­­­beck (leider nur mittelmäßige Pommes), Biergarten im Bottroper Bernepark

Tour bei google maps: https://www.google.com/maps/d/edit?mid=1rxtp1lKQcJ5h3oWItuKumRfoZujMkxg&usp=sharing


 

Da will sogar der Biber hin

In der Urdenbacher Kämpe darf der Altrhein wieder in seinem ursprünglichen Bett fließen

Der Kuckuck ruft, die Frösche ­quaken, der Specht hämmert. Und der Biber? »Hier habe ich den Biber zum ersten Mal gehört«, sagt Elke Löpke, kurz nachdem wir eine ­kleine Brücke in der Urdenbacher Kämpe überquert haben, eine große Rheinaue zwischen Düsseldorf-Benrath und Monheim. Elke Löpke ist Diplombiologin und leitet seit 30 Jahren die Biologische Station Haus Bürgel. »Als der Altrhein im Frühjahr noch mehr Wasser führte, hat es hier verdächtig gegluckert. Das war sein Damm.« 200 Jahre lang galt der Biber entlang des Rheins als ausgestorben, vor einem Jahr gab es erste Hinweise, dass er zurück ist, im Januar hat ein Hobby­­fotograf den Beweis erbracht. »Ein Pärchen bei der Fellpflege, das sah sehr innig aus. Wir haben sogar schon Nachwuchs!«, sagt Löpke.

In der Urdenbacher Kämpe zwischen Rhein und einem seiner Altarme, dem Urdenbacher Altrhein, darf der Fluss seine Aue noch überfluten und wird nicht, wie so häufig, durch Deiche daran gehindert. Das sorgt für eine Vielfalt unter­schiedlicher Landschaften und Lebens­räume: Gewässer mit Röhrichten und Weidengebüschen wechseln sich ab mit Auen-, Eichen- und Eschenwald sowie Streuobst- und Glatthaferwiesen. »Sie werden nicht gedüngt, weil die Überschwemmungen ein hervorragender Nährstofflieferant sind. Auf unse­ren Wiesen wachsen 30 verschiedene Pflanzen, auf den meis­ten anderen sind es nur sechs«, sagt Löpke über die Aue, die als euro­päisches FFH-Schutzgebiet ausgewiesen ist, weil sie bedrohten Tieren und Pflanzen einen Lebens­raum bietet.

Seit zehn Jahren darf der Altrhein, der heute in einem großen Bogen zum Rhein mäandert, wieder in seinem ursprünglichen Bett ­flie­ßen. Die Biologische Station hat sich zwanzig Jahre lang dafür eingesetzt, dass der niedrige Sommerdeich, auf dem wir gerade laufen, an zwei Stellen geöffnet wird, darüber führen heute Holzbrücken. »Früher floß der Altrhein hier schnurgerade, sehr schmal und schnell. Es gab kaum Wasserpflanzen und Wassertiere, weil die starke Fließgeschwindigkeit wie ein Sand­strahl­gebläse wirkte«, sagt Löpke und blickt auf die Tümpel, in denen heute Baldrian blüht, dahinter Rohr­glanz­gras, Weidengebüsche, Sumpf­­kresse und Sumpfschwertlilie. Nach der Renaturierung ist der Altrhein je nach Wasserstand zwischen 3 und 30 Metern breit, an manchen Stellen scheint das Wasser fast zu stehen, so langsam fließt es. »Seit der Rena­turierung haben wir einen richtigen Auen-Dschungel mit seltenen Tier- und Pflanzenarten« sagt sie, als gerade ein seltener Zwergtaucher empor steigt. Neben Vögeln bieten die Tümpel, die sich links und rechts des Weges erstrecken, auch Lebens­raum für Amphibien wie den Kammmolch, der zur Paarungszeit wie ein kleiner Drache mit gezackten Rücken aussieht.

Der Altrhein gilt als Kinder­stube des Rheins, weil in dem warmen Gewässer bis zu 20 Fischarten ­laichen, die dann zurück in den Rhein wandern. »Das wiederum ist genau die Nahrung, die Eisvogel, Störche und Graureiher suchen«, so Löpke.  »Die Frösche sind so laut, das hören Wasservögel auf der Suche nach Beute aus der Luft«, kommentiert eine Hobbyfotografin, die ­neben uns auf der Lauer liegt und gerade einen Schwarzmilan vor die Linse bekommen hat. Bei unserem Spaziergang kommen uns noch mehr Hobbyfotografen entgegen, alle mit riesigen Objektiven und Stativen ausgestattet. Dass der ­Biber sich in der Kämpe ange­siedelt hat, führt Elke Löpke ebenfalls auf die Renaturierung zurück. »Wir haben ein Paradies zurück ­geholt.«

Die Flut vom Juli 2021 hatte an der Kämpe kaum Folgen. »Die Bäche haben hier Platz. Wir sind zwar oft überschwemmt, haben aber selten Probleme mit Hochwasser, weil das Wasser nicht gelenkt oder zurückgehalten wird, sondern in die Breite fließen darf.« Damit schützt die Urdenbacher Kämpe auch Düsseldorf vor Hochwasser.

Später kommt man an einem guten Dutzend abgestorbener Pappeln vorbei. Sie vertragen nicht so viel Wasser und sehen aus, als ob der Blitz darin eingeschlagen hätte. »Aber auch das ist Natur, die Landschaft verändert sich«, findet Elke Löpke. Dafür ­kämen Weiden, Schilf, Rohrglanzgras nach, in den abgestorbenen Pappeln brüten Specht, Waldkauz oder Rostgans.

Wir erreichen Haus Bürgel, ein mittelalterliches Lehngut, in dem neben der Biologischen Station auch ein archäologisches Museum und eine Pferdezucht ihren Sitz ­haben. Dahinter erstrecken sich Streu­obstwiesen. Bis 1374 lag Haus Bürgel, das auf den Resten eines römischen Kastells gebaut ist, linksrheinisch. Bei einem Hoch­wasser durchbrach der Rhein ­seinen Bogen und schuf sich sein heutiges Bett. Heute zählt Haus Bürgel als einziges rechtsrheinisch liegendes Römer-Kastell zum Unesco-Welt­kultur­­erbe. »Ich habe auf Fotos gesehen, dass Biber sogar den Rhein stromaufwärts schwimmen können«, erzählt Elke Löpke zum Abschied. Vielleicht schaffen es die Düsseldorfer Biber ja bis nach Köln. 

Anja Albert

Wegbeschreibung: Mit der Regionalbahn bis Düsseldorf-Benrath, dann weiter mit dem Fahrrad bis Schloss Benrath. Wir folgen der Itter, einem Bach, der im Bergischen Land entspringt, vorbei an Fachwerkhäusern in Urdenbach, wo es auch Ausflugslokale mit Biergarten gibt. Dann links halten bis zum Wanderparkplatz Piels Loch. Wir nehmen die Route »Naturinterpretationspfad« und verlängern sie an einem Auentümpel und Auenwald entlang bis zur Biologischen Station Haus Bürgel. Insgesamt führen acht Routen (»Auenblicke«) durch das Naturschutzgebiet. Man kann auch im Mittelalter-Städtchen Zons starten, mit der Fähre übersetzen und anschließend die Kämpe erkunden. hausbuergel.de

Tour bei google maps: https://www.google.com/maps/d/edit?mid=1ep3oC88nEyGZLgRxK59IrlkoVX_wuQE&usp=sharing


 

Tour de Trinkwasserbrunnen

Seit einigen Jahren gibt es in Köln Trinkwasserspender. Menschen können sich dort erfrischen — etwa bei einer Joggingrunde durch die Stadt

Das Wasser plätschert aus dem kleinen Hahn. Es ist angenehm kühl, nicht zu kalt. An einem Sonntagmorgen Mitte Juni stehe ich vor dem Trinkwasserspender im Lohse­park in Nippes. Um mich herum ist es ruhig. Ein paar Mitarbeiter der AWB leeren Mülleimer mit Grill­abfall vom Vorabend. Ein Basketballer wirft auf der Sportanlage Körbe und führt dabei Selbstgespräche. Ein paar Meter entfernt sitzt ein Mann auf einer Parkbank und raucht. Er beachtet mich lange nicht. Erst als ich aus meiner Bauch­tasche einen Mehrweg­becher heraushole, ihn mit Wasser befülle und in einem Zug leer trinke, schaut er etwas skeptisch zu mir rüber. Als wäre es absurd, sich Trinkwasser an einem Trinkwasserbrunnen zu zapfen.

Seit 2019 gibt es in Köln zwölf solcher Brunnen. Sie verteilen sich über alle Stadtbezirke, die meisten stehen in der Innenstadt. Die Zapfstellen versorgen alle, die Durst ­haben, kostenfrei mit Trinkwasser. Die schmucklosen, funktionalen Metallsäulen sollen damit einen Beitrag zur Gesundheit leisten, die Aufenthaltsqualität erhöhen und ein Bewusstsein für den Wert von Trinkwasser schaffen. Die Kölner Wasserqualität sei sehr gut, das Wasser aus den Brunnen »frisch, kühl und vor allem einwandfrei«, lobte die Stadt zur Eröffnung. Klingt wie eine Werbung für überteuerten Sprudel aus einer Bergquelle. Ober­bürgermeisterin Henriette Reker sagte damals, auch Spaziergänger und Jogger könnten von den Brunnen profitieren. Das möchte ich ausprobieren. Mit einer Laufrunde, die mich an einigen Kölner Trinkwasserbrunnen vorbeiführt.

Vom Lohsepark, wo ich mir die ersten Becher gönne, geht es durch den Lentpark am Zoo vorbei Richtung Rhein. Am Rheinufer kommt mir eine Joggerin entgegen, die eine unhandliche Trinkflasche mit sich herumträgt. Das könnte sie einfacher haben, denke ich. Vorbei am Biergarten »Schwimmbad«, der erst in einigen Stunden öffnet, geht es zur Mülheimer Brücke . Eine von Kölns größten Baustellen führt mich über den Rhein. VormWiener Platz laufe ich rechts in den Mülheimer Stadtgarten. Auf dem Rasen am Parkeingang schläft ein offensichtlich obdachloser Mensch in der Sonne. Kennt und nutzt er den Trinkwasserbrunnen? Hat Köln nicht andere Probleme als aufwändig designte Brunnen, die kaum Menschen kennen und nutzen? Ich habe mittlerweile knapp vier Kilometer in den Beinen — und Durst. Den Mülheimer Brunnen  aber finde ich zunächst nicht. Extra­meter möchte ich mir sparen, ich suche lieber im Internet.

Der Brunnen hat sogar eine Google-Bewertung. Drei Sterne. »Der Trink­wasser­brunnen ist weg. Hat ja lange gehalten. ­Danke für Nichts, liebe Stadt Köln«, schreibt Nico. Der Kommentator weiß offenbar nicht, dass die Brunnen vor dem Winter abgebaut und im Frühjahr wieder aufgebaut werden. Das Mülheimer Wasser erscheint mir kälter, vielleicht ist mir mittlerweile auch ­einfach nur wärmer. Außerdem kommt mir die erste Pause gelegen. Ich trinke einen Becher mehr, als ich eigentlich Durst habe und laufe runter zum Rhein. Dass meine Beine langsam müder werden, merke ich spätestens an der giftigen Steigung der »Katzenbuckel«-Brücke. Mit Blick auf den Mülheimer Hafen geht es am Rheinufer entlang Richtung Jugend­park. Auf Höhe des Tanzbrunnens hat jemand »Fast geschafft!« mit Kreide auf den ­Boden geschrieben. Ich fühle mich angesprochen. Der Blick über einen ­ruhigen Rhein hinüber auf den Dom entschädigt allerdings für vieles. Allmählich begegnen mir erste Reisegruppen. Oberhalb der Rheintreppe steht ein Leih-E-Scooter. Ich habe in den vergangenen Jahren in der Stadtrevue oft auf die Roller geschimpft. Selten kam mir eine Fahrt attraktiver vor als jetzt. Doch St. Heribert — und damit der nächste Drink — ist in Sichtweite.

Dort angekommen, setzt der Glockenschlag ein. Bald beginnt die Messe. Ob ich um Beistand bitten soll? Ich versuche es stattdessen mit Wasser aus dem Brunnen vor der Kirche . Die Holzbänke des Verkehrsversuchs auf der Deutzer Freiheit erscheinen mir verlockend — aber einmal hingesetzt, käme ich wohl nicht wieder hoch. Ich trinke zwei Becher, einen halben kippe ich mir über den Nacken. Das Wasser wird mit jedem Stopp erfrischender — und ist angenehmer temperiert als manches Kölsch im Brauhaus. Über die Deutzer Brücke geht es Richtung Heumarkt und mitten ­hinein in die nächste Baustelle. »Abbruch und Ersatzneubau der Kragplatte am Altstadtufer« steht auf den Bauzäunen in der Altstadt. Auf dem Weg am Rheinufer herrscht schon so früh Durcheinander. Seni­oren ziehen orientierungslos ihre Koffer über den Asphalt, Angestellte räumen Müll von den Rheinschiffen, Radfahrer und Fußgänger kom­men sich in die Quere. Schnell weg — oder zumindest so schnell es noch geht. Ich laufe am Rhein entlang bis zum Thürmchenswall.

Der letzte Trinkwasserbrunnen am Eigel­stein , der erste, den es in Köln über­haupt gab, erscheint vor mir mittlerweile wie eine Fata Morgana. Als ich meinen Trinkbecher befülle, sitzen schon die ersten Menschen im Eiscafé. Hinter mir liegen 14 Kilo­meter. Und mittlerweile würde ich der Einschätzung der Stadt Köln uneingeschränkt zustimmen: Das Kölner Wasser schmeckt wirklich sehr gut. Als ich nach wenigen Lauf­minuten über Ebertplatz und Neusser Straße wieder im Lohsepark ankomme und zum letzten Mal meinen Trinkbecher auspacke, hat sich mir der Sinn der Trink­wasserbrunnen schon etwas mehr erschlossen. Eines aber habe ich noch deutlicher gespürt: wie dringend notwendig es ist, Hitze in der Stadt zu bekämpfen. 

Jan Lüke

Start/Ziel: Trinkwasserbrunnen im Lohse­park. Strecke: 15,5 km (Grün­gürtel, Rhein, Mülheimer Brücke, Rhein, Deutzer Brücke, Rhein, Eigelstein). Einkehren: 4 Trinkwasser­brunnen an der Strecke

Tour bei google maps: https://www.google.com/maps/d/edit?mid=1MNGIRkOp1VCYv-khzKYtf5Lcghbx_tk&usp=sharing

Ans Wasser

Kurztipps von Stadtrevue-Mitarbeiter:innen

Paddeln auf der Sieg
Mit der Bahn nach Eitorf fahren, dort ein Kanu ausleihen, bis Hennef paddeln, dort das Kanu zurückgeben und vor der Rückkehr mit Bus und Bahn noch in der »Sieglinde« einkehren — ein prima Tagesausflug! S19 / RE9 bis Eitorf. Kanuverleih: aktive-elemente.de

Von-Diergardt-See
Zwischen Dünnwald und Leverkusen in schöner Natur liegt dieser See mit steilen Ufern und sauberem Wasser. Baden ist hier verboten, viele tun es trotzdem und verzichten dabei auch gerne auf jegliche Kleidung. Bus 155, 156, 157 bis Leimbachweg

Heider Bergsee
Bei warmem Wetter ist es hier sehr voll und die wenigen zugänglichen Uferstellen sind rar. Man kann den bei Brühl gelegenen See aber schön zu Fuß umrunden, die Wege gehen hoch und runter und da der See nicht zu groß ist, ist die Strecke absolut kindertauglich. Mit RB oder Linie 18 nach Brühl, dann Bus 990 bis Heider Bergsee

Mutzbach
Der Mutzbach schlängelt sich entlang des Dünnwalder Wildparks und ist an heißen Tagen ein idealer Spielplatz für Kinder. Selbst errichtete Staudämme beim Gehen bitte wieder entfernen! Bus 154 bis Wildpark Dünnwald

Flehbach
Großer Planschspaß für Kinder hinterm Brücker Wildgehege. Selbst im Sommer ist es hier nicht überlaufen. Wenn es ­längere Zeit nicht regnet, führt er allerdings irgendwann kein Wasser mehr. Bus 154 bis Erker Mühle

Kasbach
Eine schöne kleine Wanderung, die man sogar Kindern andrehen kann: Mit dem RE nach Linz am Rhein, dort umsteigen in die Kasbachtalbahn, einen roten Schienenbus, der bergauf nach Kalenborn fährt. Von dort läuft man wieder bergab, immer am Kasbach entlang, in dem man sich zwischendurch gut die Füße kühlen kann

Gymnicher Mühle
Nach der Flut 2021 wurde der Wassererlebnispark an der Erft wieder aufgebaut. Die Landschaft aus Wasserspielplätzen und Matschlöchern ist ein Riesenspaß für Kinder, an Wochenenden und bei heißem Wetter aber recht trubelig. Besonders schön ist eine Anreise mit dem Rad vom S-Bahnhof Horrem, immer an der Erft entlang

Freibad Milchborntal, Bensberg
Schön am Waldrand gelegen und nicht so voll wie die Kölner Freibäder: Das Freibad Milchborntal hat ein schnörkelloses 50-Meter-Becken, aber auch allerlei Angebote für Kinder und ist mit der S-Bahn über Bergisch Gladbach mit der Buslinie 227 bis Bensberg Milchborntal zu erreichen

Baden in der Sieg
Mit der S-Bahn kann man bequem mehrere Badestellen an der Sieg erreichen: Zum Beispiel oberhalb des Sieg-Wasser­falls bei Schladern oder unterhalb von zwei Brücken in Au. Noch lauschiger ist es am Badeplatz in Dreisel, den man mit dem Rad oder auch zu Fuß von Dattenfeld aus erreichen kann

Wasserspielplatz im Beethovenpark
Auf dem großen Spielplatz mit Wasserbahn, Kletterparcours und Reifenschaukel gleich am Eingang zum Beethovenpark spielen Kinder komplett im Schatten. Wer möchte, kann von hier aus weiter zum Decksteiner und Adenauer Weiher radeln

Freibad Hoffnungsthal
Viele alte Bäume, Hügel rings­um, ein bisschen Entertainment (breite Rutsche, Beachvolleyball), aber nicht zu viel. Kann man gut mit der Bahn von Köln aus erreichen (bis Bahnhof Hoffnungsthal), Sportliche auch mit dem Rad

Bleibtreusee
Wenn man den See mit dem Rad oder zu Fuß umrundet, entdeckt man viele kleine Badestellen, in denen nur eine Hand­voll Leute Platz finden. Am besten früh kommen, die Hänge­matte einpacken und zwischen den Bäumen am Ufer aufspannen. Wer mehr Action will, kann sich an der großen Liegewiese ein Stand-Up-Paddle ausleihen

Rheinstrände
Heller Sand und Grillgeruch: Die kölsche Riviera in Roden­kirchen ist immer eine Radtour wert — leider wissen das die anderen Kölner auch. Am Niehler Rheinstrand ist kaum weniger Betrieb. Je weiter man stadtauswärts radelt, desto eher wird man noch ein Plätzchen in einer Bucht finden. Obacht: Baden im Rhein ist lebensgefährlich!

Waldbad Dünnwald
Wenn es in den Kölner Frei­bädern proppenvoll ist, ist es im Waldbad bloß voll. Große Kiefern spenden viel Schatten und ein wenig Urlaubsflair. Nebenan liegen ein Minigolfplatz, der Wildpark Dünnwald mit Mutzbach, der auch durchs Freibad fließt, und ein Camping­platz — genug zu tun für ein ganzes Wochenende

Seepark Zülpich
Es braucht schon ein wenig Ehr­geiz, um den Seepark mit ÖPNV oder Rad zu erreichen. Aber vor allem mit Kindern lohnt es sich, oder wenn man auf Surfen, Tauchen oder Segeln aus ist. Es gibt sogar einen Strand mit echten Palmen am Zülpicher See! Anfahrt mit dem Rad über die »Agrippastraße« (48 Kilometer) oder mit RE und Bus über Brühl / Euskirchen