Veröffentlicht auch auf Rhein Schallplatten: Poparchäologe Eric Pfeil

Gegen den Zeitgeist

Mit ihrem Label Rhein Schallplatten setzen Michael und Thomas Rhein auf Lofi-Musik und DIY-Attitüde

In Zeiten von Streaming ein Label zu gründen, das sich ausschließlich der Produktion von Tonträgern auf Vinyl widmet, scheint anachronistisch. Thomas Rhein hat sich trotzdem dafür entschieden. Gemeinsam mit seinem in München lebenden Bruder Markus betreibt der Kölner Miteigentümer des Parallel-Schallplattenladens seit 2021 das Label Rhein Schallplatten. Bislang sind zwei Alben und vier Singles erschienen. Neben Projekten, in denen Markus Rhein als Gitarrist selbst musikalisch aktiv ist (die an Stereo Total, die Lassie Singers oder Velvet Underground erinnernde Formation Monobob und die Trash-Jazz-Kapelle Katie Smokers Wedding Party) werden in der Regel Acts veröffentlicht, die über Freunde an die Rheins herangetragen werden: Bei G.Rag y los Hermanos Patchekos handelt es sich um Münchner Szenegrößen, die sich als 14-köpfige Bigband mit punkiger Attitüde und lateinamerikanischen Vibes dem orchestralen Folk widmen, während die jüngste Veröffentlichung von The Brockas stammt, einem aus drei philippinischen Filmregisseuren bestehenden Projekt, das von Stereo Totals Brezel Göring produziert wird und wunderbar verspulten Psychedelic-Folk zum Besten gibt.

Wie kam es zur Labelgründung, Thomas? Wir haben früher in den 90ern auch schon ein Label gemacht, Finlayson, mit Workshop, Genf, der ersten Kreidler-Platte, House of Suffering. Wir waren zu fünft, aber das ist irgendwann ausgelaufen, weil wir uns über die Welt verteilt haben. Mit Beginn der Pandemie hatte mein Bruder die Idee, nochmal ein Label zu starten. Wir haben dann erstmal eine Single von Katy ­Smokers Wedding Party mit Proberaumaufnahmen in einer 300er-Auflage gemacht.

Stilistisch bewegen sich eure Veröffentlichungen im Lofi-Bereich. Ihr veröffentlicht Nischenmusik auf Nischen-Formaten wie 7inch-Vinyl und arbeitet ohne Vertrieb. Welche Rolle spielt da die Wirtschaftlichkeit? Wir produzieren in der Regel eine 600er-Auflage, von der bekommen die Bands 100 Stück und die digitalen Rechte, uns bleiben 500, aber wir zahlen drauf momentan. Gut ist, wenn es auf plus/minus Null hinausläuft. Und im Idealfall wird ein Gewinn wieder in neue Plattenveröffentlichungen gesteckt.


Lass uns doch einfach mal machen. Wenn’s nicht klappt, dann ist auch gut
Thomas Rhein

Was bedeuten Labels für dich als Plattenladenbesitzer und Labelbetreiber heutzutage überhaupt noch? Geht es heutzutage nicht vielmehr um den Artist selbst? Für mich ist das anders: Wenn ich zum Beispiel lese, dass auf Alien Transistor, dem Label der Acher-Brüder (The Notwist), etwas erscheint, bin ich schonmal interessiert. Aber ich gebe dir Recht, dass es gerade für jüngere Konsumenten oftmals total egal ist.

Ihr seid ja auch ältere Typen aus einer anderen Epoche, heutzutage bauen sich die Acts ihre Followerschaft über Social Media auf ...

Ich habe auch einen Instagram-Account, da bewerbe ich aber eigentlich nur meine Radiosendung auf 674FM, das habe ich heute früh auch wieder gemacht, das ist natürlich kein Akt, aber es nervt auch. Es stimmt, dass wir aus der Zeit gefallen sind. Aber wenn es so aussieht: Wir wollen niemanden erreichen, dann stimmt das natürlich nicht, wir wollen Platten verkaufen. Wir haben das Vorhaben in die Tat umgesetzt, weil wir dachten: Lass es uns doch einfach mal machen. Wenn’s nicht klappt und es keinen interessiert, dann ist auch gut. Als aber zum Beispiel die Katy Smokers Single im Wire besprochen wurde, waren wir sehr stolz. Wir wollen Sachen machen, die uns gefallen und die vielleicht sonst niemand rausbringt.

Und wenn du deinem Größenwahn mal freien Lauf lässt? Dann möchten wir eines der wichtigen Underground-DIY-Labels in Deutschland sein, im Idealfall mit internationaler Resonanz. Mit dem Brexit ist das jetzt freilich super bescheuert: Aufgrund des hohen Portos ist es kaum möglich, die Sachen nach Großbritannien rüberzuschaffen.

Eine ketzerische Frage zum Abschluss: Warum ist dir Vinyl als Medium eigentlich so wichtig? Es ist eine Oldschool-Haltung. Musik, die nur im Netz verfügbar ist, verschwindet für mich, da hab ich keinen Bezug zu. Ich brauche einfach den Tonträger, das kann auch eine Kassette sein oder meinetwegen eine CD. Es geht wahrscheinlich darum, das besitzen zu wollen. 

instagram.com/rheinschallplatten