Arbeit am Material: Thomas Schütte

Thomas Schütte — Ich bin nicht allein

Corinna Belz nähert sich einem weiteren Großkünstler über dessen Handwerk

In ihren filmischen Porträts von Gerhard Richter (2011) und Peter Handke (2016) erdet die Kölner Regisseurin Corinna Belz die beiden gern überhöhten Großkünstler überzeugend. Dies gelingt ihr (ohne Off-Kommentar und Talking Heads) mit genauem und geduldigem Blick auf das Handwerkliche der künstlerischen Praxis. Nun hat sie sich in gleicher Manier Thomas Schütte zugewandt, dem international renommiertesten deutschen Bildhauer (und Zeichner). Der figurativ arbeitende Düsseldorfer bezeichnet die Konzeptkunst der 60er Jahre im Film einmal als »Endstation«, 2020 hat er sich mit einer eigenen Ausstellungshalle bei Neuss samt Archivräumen und Atelier weitgehend selbstbestimmte Möglichkeiten für Arbeit und Präsentation geschaffen.

Belz und ihre Kameraleute begleiten das Schaffen Schüttes. Erklärungsansätze zum Werk, das in unterschiedlichsten Materialien beharrlich um das Thema Mensch kreist, kommen bei Aufbau und Begehung der Ausstellungen nur von den Galeristen in aller Welt. Roter Faden ist die Entwicklung und Aufstellung der monumentalen Bronzefigur »Nixe« von der ersten Idee über diverse immer größer werdende Modelle und Gießformen aus Ton, Styropor bis zu einem Computer-Scan.

Früher sei die 3D-Modellierung so aufwendig gewesen, dass er lieber »mit der Kettensäge ran ging«, sagt Schütte. Das habe sich jetzt geändert. Doch der größte Teil der Tätigkeiten ist immer noch im besten Sinne körperlich: Schütte knetet mit beiden Händen ein Gesicht aus einem Tonblock oder feilt und bemalt mit seinem Team Styropor, er zerstückelt erst riesige Figuren und schweißt sie dann wieder zusammen. In guter Gesellschaft ist der Künstler auch in der Zusammenarbeit mit spezialisierten Betrieben wie der Kunstgießerei Kayser in Düsseldorf oder der Glaswerkstatt Berengo auf Murano, wo der »Maestro« überschwänglich begrüßt wird.

Auch wenn Zufälle durchaus eine Rolle spielen, weiß dieser Meister immer beeindruckend genau, was er will und tut. Das Drehteam taktete sich für zwei Jahre kongenial konzentriert in diese Arbeitsrhythmen und -abläufe ein, um keinen wesentlichen Moment zu verpassen. Das Ergebnis überzeugt — samt der lakonisch akzentuierenden instrumentalen Begleitung durch das mehrfach ausgezeichnete Filmmusik-Duo Christoph M. Kaiser und Julian Maas. 

D 2023, R: Corinna Belz, 94 Min.