Kein Wintermärchen: »Szenario« über Solokünstler*innen, Foto: Christian Schuller

Klagelied der Bürokratie

Der Mensch im Neoliberalismus: Das Impulse Festival zeigt die Oper »Szenario« von Jan Philipp Stange

Kalt liegt sie da, die Welt der Solokünstler*innen. Überall knöchelhoch der Kunstschnee, tote Baum­­stümpfe und einer, der noch übrig blieb, konnte sich nicht mehr halten. Er ist umgestürzt und versperrt den Weg. Als Waldarbeiter*innen in Schneeanzügen treten die Performer*innen in Jan Philipp Stanges Musiktheaterstück »Szenario« auf die Bühne: Zu sanftem Geklim­per auf Klavier und Xylophon singen die vier das Anschreiben eines Projektförderungsantrages: »Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit reichen wir ein ...« und so weiter. Es ist der Beginn einer kleinen Oper, die sich mit der Situation von künstlerischer Arbeit im Kapitalis­mus auseinandersetzt, auf sehr private, ja intime Weise.

Viel wurde darüber gesprochen, während der Corona-Jahre: über die Situation der Künst­le­r*in­nen, die mit dem Lockdown der Bühnen von einem auf den anderen Tag ohne Arbeit und damit zumeist auch ohne Einkommen waren. Neu ist das alles also nicht, was beim Impulse Festival im Düsseldorfer Schauspielhaus erzählt wird. Die künstlerische Arbeit tritt in den Hintergrund, weil man so damit beschäftigt ist, die knappen finanziellen Mittel aufzutreiben — und am Ende bleibt kaum etwas übrig. Leidenschaftliche Selbstausbeutung in Kombination mit Ent­frem­­dung. Ziemlich deprimierend.

Wäre da nicht das humorvolle Augenzwinkern, mit dem die vier Performer*innen die transkribierten Interviews mit Solokünstle­r*in­nen singen, mit allen »Ähms« und jedem »Naja«, die manchmal mehr über den emotionalen Zustand eines Menschen aussagen, als ein pointierter Satz wie: »Ich habe für dieses Stück ein Burnout mitgebracht als Credibility-Bonbon für den dokumentarischen Gehalt.« Diese intime Innensicht ­einer Viel­zahl von Stimmen, die ungewohn­te künstlerische Ver­packung als Oper, machen das Stück eindringlich.

Obgleich die Pointe zu fehlen scheint: Am Ende wird der umgestürzte Baum mit vereinten Kräften zur Seite geschafft und ein letztes Loblied auf die Kunst angestimmt, »die sich immer ihren Weg durch die Antragsbürokratie« zu bahnen vermag. Nun, ist das nicht dieses elende Akzeptieren, das uns alle irgendwann umfallen lässt? Sollte es nicht einen anderen Schluss geben, einen, bei dem die Bühne als vorgegebener Rahmen eingerissen wird, um alles nochmal neu und besser zu gestalten? Zumindest die Forderung danach hätte mehr Sprengkraft als dieses Ende.