Im Farbrausch: Shenxiu an der Restauranttür

Deep Sea

Tian Xiaopeng überwältigt in seinem Animationsfilm mit fluoreszierenden Bildern

Jahrelang kamen Filme aus China vor allem dann in die deutschen Kinos, wenn sie sozialkritisch und anspruchsvoll waren und dazu von einem der auch international bekannten Regisseure wie Chen Kaige oder Zhang Yimou stammten. Dass sich in China eine mächtige und zumindest auf dem heimischen Markt enorm erfolgreiche Filmindus­trie entwickelt hat, wurde im Westen kaum bemerkt. Doch das ändert sich langsam.

Chinesische Komödien oder Propagandafilme dürften es zwar schwer haben, international beachtet zu werden, aber ein Animationsfilm wie »Deep Sea« ist anschlussfähig, inhaltlich wie stilistisch. Bei der Berlinale feierte der Film von Tian Xiaopeng seine internationale Premiere, dort wurde er in 3D gezeigt, ein Format, dass nach einigen kleineren und einem großen Erfolg — James Camerons »Avatar«-Filmen — schon wieder passé zu sein scheint. Doch selbst Camerons Visionen können nicht mit den rauschhaften Bilderwelten mithalten, die Tian hier auf die Leinwand wirft: eine Überwältigungsästhetik, die selbst in der 2D-Version zur Geltung kommt, die der deutsche Verleih leider nur zeigt.

Inhaltlich bewegt sich »Deep Sea« in Bahnen, die von den Filmen des japanischen Ghibli-Studios bekannt sind.  Shenxiu, ein kleines Mädchen, hat den Lebensmut verloren. Ihr Vater und seine neue Frau haben nur Augen für das gemeinsame Baby, selbst den Geburtstag von Shenxiu vergessen sie während einer Kreuzfahrt. Nach einem Sturm wacht Shenxiu in den Tiefen des Meeres auf und sucht dort nach ihrer Mutter, deren Erinnerung sie durch Handy-Videos am Leben hält. Seltsame Kreaturen wie das Fabelwesen Hyjinx begleiten ihre Reise, die sie zu einem Unterwasser-Restaurant führt, in dem der Koch Nanhe bizarre Gerichte zubereitet.

Die Schlichtheit der Geschichte wird ausgeglichen durch fluoreszierende Bilderwelten, die zwischen fotorealistischer Darstellung und impressionistischen Farbenspielen changieren. Gerade die Hintergründe, die Weiten des Meeres und des Himmels zerfließen in satten, grell leuchtenden Farben, bieten einen puren, visuellen Rausch, wie man ihn nicht oft zu sehen bekommt. In China war »Deep Sea« erfolgreicher als die meisten Hollywood-Filme des Jahres, vielleicht auch bei uns Anlass, den filmischen Blick einmal nach Osten zu richten. 

(Shen Hai) CHN 2023, R: Tian Xiaopeng, 112 Min.