Unkonventionell: Luana Giuliani, Penélope Cruz

L’immensità

Emanuele Crialese erzählt von einem willensstarken trans Kind im Rom des Jahres 1970

»Ist es wichtiger, was in uns steckt oder wie wir aussehen?«, fragt Adriana einmal ihre Lehrerin, eine Nonne. Die schweigt dazu, im Gegensatz zu dem Regisseur dieses die Nonkonformität feiernden Coming-of-Age-Dramas eines trans Jungen. Emanuele Crialese weiß, wovon er erzählt, auch er wurde 1965 als Mädchen geboren und outete sich 2022 auf den Filmfestspielen in Venedig erstmalig als trans Mann.

Die von ihm und zwei Co-Autoren ersonnene Geschichte spielt 1970, mitten in Rom. Die 13-jährige Adriana, hinreißend gespielt von Luana Giuliani, fühlt sich im falschen Körper gefangen. Ihre unkonventionelle Mutter Clara, die sich selbst im Käfig einer unglücklichen Ehe eingesperrt fühlt, lässt ihr rebellisches Kind gewähren. Verkörpert wird Clara von ­Penélope Cruz, die zu sehr in ihren Bann zieht und gerade deshalb mit der zurückgenommen und glaubwürdig agierenden Giuliani nicht ganz mithalten kann.

Adris Vater ist es im Gegensatz zu Clara ein Dorn im Auge, dass seine Tochter sich wie ein Junge aufführt. Er wird Adri und Clara gegenüber sogar gewalttätig. Demgegenüber stehen die Stunden, die Adri und seine Geschwister mit der fantasievollen, aber zunehmend am Rande eines Nervenzusammenbruchs laborierenden Mutter allein sind. Tanzend decken sie gemeinsam den Tisch oder schauen sich im Schwarzweiß-Fernseher Adriano Celentanos großartige Performance zu seinem Song »Prisen­colinensinainciusol« an. In seiner Fantasie schlüpft Adri später einmal in Celentanos Landstreicher-Rolle und seine Mutter, die ebenso wie er eine Außenseiterin ist, in die seiner Ehefrau Claudia Mori. Ein magischer Kinomoment.

Eine weitere Fluchtmöglichkeit vor der katastrophalen Ehe seiner Eltern, häuslicher Gewalt und dem Verbot seines autoritären Vaters er selbst zu sein, bietet sich für Adri indem er sich verbotenerweise mit einem Mädchen aus den Arbeiterbaracken trifft. Bei ihr braucht er sich nicht zu verstellen. Die Sicht dieses willensstarken trans Jungen auf die restriktive Welt der Erwachsenen schenkt diesem Film trotz allem eine lebensbejahende Leichtigkeit. Ähnlich wie bei dem kürzlich angelaufenen trans-Kind-Drama »20.000 Arten von Bienen« geht es in diesem Film nämlich glücklicherweise vor allem darum, dass Adri sich selbst vollends akzeptiert und nicht darum, was andere von ihm denken.

I / F 2022, R: Emanuele Crialese, D: Penélope Cruz, Vincenzo Amato, Luana Giuliani, 99 Min.