Wiebke Siem, »Niema tego złego coby na dobry nie wyzło«, 2007, Ausstellungsansicht, Johnen Galerie, Berlin © Wiebke Siem, Foto: Hans-Georg Gaul

Wiebke Siems kommt mit dem Nudelholz

Makaber und schwarzhumorig: »Das Maximale Minimum«

Vertrautes zu verfremden und Dingen ihre ursprüngliche Funktion zu nehmen, sind wesentliche Strategien von Wiebke Siem (*1954 in Kiel). Unter anderem bei einem Regal mit zwölf Hüten, das Siem in den 1980er-Jahren hergestellt hat, zu erkennen: Wie in ­einem Concept Store präsentieren sich die aus Schaumstoff und Jersey gefertigten, exzentrischen Kopfbedeckungen. Einige rufen absurde Assoziationen von Lampenschirmen, Hamsterhütten und weiteren artfremden Objekten hervor. Diese und andere plastische Werke sind nun in einer wun­derbaren Überblicksausstellung im Kunstmuseum Bonn zu sehen.

Den Verfremdungseffekt erzeugt die Künstlerin gerne durch Vergrößerung. So erscheint die raumgreifende Installation »4. Werkgruppe (Spielzeug)« wie ein Kinderzimmer für Riesen mit mannsgroßen Puppen, wuchtigen Holzspielsachen und einem Flokati aus langen Filzlappen-­Fasern. Einigen Puppen, mit denen sich Siem formal auf die Figurinen des Bauhaus-Bühnenbildners Oskar Schlemmer bezieht, begegnen wir beim Rundgang abgewandelt noch ein weiteres Mal. In einem Environment aus dem Jahr 2007 leuchtet eine dunkelrote Figur als überdimensionierte Hängelampe über einem Küchentisch. Ergänzt um schwarze Arme und Beine mit klobigen Füßen wird sie hier zur grotesken Marionette, die sich auch stranguliert haben könnte. Wer genauer hinschaut, dem bleibt, wie oft bei Siems Kunst, das Lachen im Hals stecken. Als Teil einer dreiteiligen Raumfolge besitzt das makabere Zimmer den Namen »Nie ma tego złego co by na dobre nie wyszło«; ein Sprich­wort, das ihre polnisch-stämmige, schwarzhumorige Mutter häufig zitiert hat: »Es gibt nichts, was so schlecht wäre, dass man ihm nicht auch etwas Gutes abgewinnen könnte.«

Mit den Themen Mode, Nähen und Kochen richtet die Künstlerin den Blick auf typisch weibliche Wirkungsstätten, um gesellschaft­liche Rollenbilder ironisch zu hinterfragen. In der Esszimmer-Instal­lation »Die Fälscherin« lässt Siem sich eine Hausfrau besonders krea­tiv austoben — ganz offensichtlich, wie einst Picasso, Schmidt-Rottluff und Ernst, von afrikanischer Volkskunst inspiriert. Zusammengewerkelt sind die Fetischfiguren, Voodoo-Puppen und Masken aus Schneidebrettern, Tellern, Kochlöffeln, Besenstielen, Mörsern und Wäscheklammern. Es ist natürlich die Künstlerin selbst, die hier gefälscht hat und damit die koloniale Begeisterung und allzu unkritische ästhetische Aneignung vieler Genies der Moderne ironisch kommentiert. 

Kunstmuseum Bonn, Helmut-Kohl-Allee 2, Di–So 11–18 Uhr, Mi 11–21 Uhr; bis 17.9.