Bitte nicht streicheln

Im Garten wird man für Faulheit zuweilen ­besonders belohnt

Menschen ohne Garten sagen gerne, so ein Garten sei ja schön, mache aber zu viel Arbeit. Und es stimmt ja auch: Fast das ganze Jahr über kann man sich mit Beeten und Stauden beschäftigen, und im Sommer, wenn alle in den Urlaub fahren, bleibt man  selbst tunlichst zu Hause, wenn man nicht die Ernte und damit den Lohn für alle Mühen verpassen will. »Nee, das binde ich mir nicht auch noch ans Bein«, sagen die Leute dann.

Wir tun dann so, als sei das mit der Arbeit alles halb so wild. Als wir vor Jahren Urlaub auf einem Bauernhof machten, fühlten wir uns in unserer Methode bestätigt. »Ich kann nicht jeden Tag die Pflanzen streicheln und ihnen gut zureden, damit sie schön wachsen«, sagte der Bauer damals, bei ­einer Führung über seine Gemüsefelder. Genau, dachten wir. Dieser Mann muss es schließlich wissen!

Wir haben einmalig in ein automatisches Bewässerungssystem investiert und vertrauen ansonsten darauf, dass das Gemüse schon irgendwie zurechtkommt. Natürlich bleibt einiges auf der Strecke. Die Schnecken fressen uns gleich im Frühjahr den Großteil der Setzlinge weg. Dieses Schicksal müssen andere Gärtner auch erleiden, aber mir schwant, dass es den Tieren bei uns noch besser gefällt als in so manch aufgeräumtem, unkrautfreiem Garten der Umgebung. Tomaten verkümmern, weil wir sie nicht schnell genug auspflanzen. Doch es ist verblüffend, wie viel trotz ­allem gelingt.

Wir haben es dann auch erstmals gewagt, im Sommer ­länger als ein paar Tage in den Urlaub zu fahren. Eine Nachbargärtnerin versprach, ab und zu nach dem Rechten zu ­sehen. Was konnte schon passieren?

Bei unserer Rückkehr erfuhren wir, dass die Nachbarin spontan entschieden hatte, auch in den Urlaub zu fahren. Aus dem Rasen war eine gelbe Steppe geworden, die Brombeere hatte den Sandkasten überwuchert. Dicke, gelbe Keulen leuchteten uns aus dem Gemüsebeet entgegen. Ah, Monster-Zucchini, dachte ich, doch nein, es waren Gurken, die hinter gigantischen Blättern hingen und sich kaum aus dem Gestrüpp lösen ließen. Sie schmeckten bitter und endeten auf dem Kompost. Es war ein schmerzhafter Anblick. Die Erbsen hingegen, die schon abgeerntet waren, und die wir nur aus Zeitmangel noch im Beet hatten stehen lassen, hatten wieder zur Blüte angesetzt. Die Ernte konnte unverhofft weitergehen. Ja, ein Garten kann viel Arbeit machen. Aber manchmal wird man für Faulheit sogar extra belohnt.