50 Jahre Parkplatzsuche

Wolf Vostells Skulptur »Ruhender Verkehr« bekommt einen neuen Standort

Auf dem Hohenzollernring wird ein Parkplatz frei: gute Mittellage, und von beiden Fahrbahnen erreichbar. Noch steht dort ein zugetaggter Betonklotz, der in Wirklichkeit ein Auto ist: Opel Kapitän, Baujahr 1960. Im Oktober 1969 hat ihn sein Besitzer, der Aktionskünstler Wolf Vostell, in Beton gegossen — vor der Galerie Intermedia an der Domstraße, damals Treffpunkt der Fluxusszene. »Meine Plastik soll am besten in einer Parkreihe stehen bleiben«, merkte Vostell an. Also stellte er ihn ohne Genehmigung auf zwei Parkplätze, für die er aber immerhin die Parkuhr bezahlte. Der Name der Plastik: »Ruhender Verkehr«, der Fachbegriff für parkende Autos.

Kurz darauf begann die Irrfahrt des »Ruhenden Verkehrs«. Eine Zeitlang stand er in Berlin und Paris, und bis zu seinem Umzug an den Hohenzollernring schmückte er die Kunsthalle am Josef-Haubrich-Hof. Dann wurde ein neuer Standort gesucht. »Nach meiner persönlichen Meinung gehört ­dieses Kunstwerk auf den Grund des tiefsten Baggerlochs, das es in Köln gibt«, schrieb damals ein Kölner Bürger der Stadtverwaltung. Durchgesetzt hat nicht er sich, sondern die SPD: »Auf der Straße rollt der Verkehr weiter. Und deshalb erschien mir der Platz auf der Mittelinsel besonders geeignet. Respektlos habe ich damals gesagt: ›Der Ring braucht einen Schandfleck‹«, erinnerte sich eine SPD-Politikerin im Jahr 2019 an die damalige Debatte. Ein Schandfleck ist der »Ruhende Verkehr« aber nicht geworden: Wenn der 1. FC Köln oder Beşiktaş Istanbul ein wichtiges Spiel gewinnen, treffen sich dort Fans und sorgen dafür, dass der Verkehr wirklich ruht — was im Sinne des Künstlers sein dürfte. »Die Fragen, die die Skulptur damals gestellt hat, haben sich heute noch zugespitzt«, sagt der Stadtführer und Künstler Boris Sieverts. »Es gibt viele Kunstwerke im öffentlichen Raum, bei denen man gar nicht mehr versteht, worum es geht. Aber hier ist das Gegenteil der Fall.«

2019, zum 50. Geburtstag des »Ruhenden Verkehrs«, haben Boris Sieverts und Uschi Huber mit einer Performance die Standortfrage des Kunstwerks erneut gestellt. Denn auch wenn am Hohenzollernring gerne in zweiter Reihe geparkt wird, ist der Mittelstreifen keine Parklücke. Die Bezirksvertretung Innenstadt beschloss daher im März 2022, dass der »Ruhende Verkehr« einen Parkplatz in der Nähe einnehmen soll. Dagegen wehrte sich ausgerechnet der Erbe Wolf Vostells, sein Sohn Rafael. Er befürchtete, dass das Kunstwerk an einen weniger prominenten Platz verschoben werde.

Nach Gesprächen zwischen Erben und Verwaltung ist nun ein neuer Standort gefunden: eine Parklücke vor dem Kölnischen Kunstverein an der Hahnenstraße. Vorher muss der vom Wetter angegriffene Beton erneuert werden. Für die Renovierung muss der Verkehr auf dem Hohenzollernring eingeschränkt werden, teilte die Stadt Köln mit. Die Autos werden etwa drei Wochen lang auf den Radstreifen umgeleitet. Eine bessere Pointe hätte sich Vostell nicht ausdenken können.