Ein Bild aus alten Zeiten: Einkaufsstraße Deutzer Freiheit ohne Autos

Verkehrt versucht

Die Deutzer Freiheit sollte probeweise autofrei sein. Ein Gericht hat den Verkehrsversuch nun gestoppt

Dieser Tage bekomme die Initiative »Deutz autofrei« viele Mails, sagt deren Sprecher Jerry Schröder. Man habe gesehen, was ohne Autos auf der Deutzer Freiheit entstehe: Aufenthaltsqualität, mehr Sicherheit, Platz zum Spielen und Spazieren, bessere Luft, weniger Lärm. All das habe es dank des Verkehrsversuchs gegeben — bis Anfang August. Da gab das Verwaltungsgericht Köln einer Klage der »Initiative Deutz«, in der sich Gewerbetreibende organisieren, aus formalen Gründen statt. Die Stadt Köln durfte den Verkehrsversuch nicht mit Verweis auf die Straßenverkehrsordnung durchführen, so die Richter.

Auch in anderen Städten werden derzeit Verkehrsversuche wegen Formfehlern juristisch gestoppt. »Weil die Straßenverkehrsordnung noch aus Zeiten der autogerechten Stadt stammt«, sagt Julie Cazier von den Grünen in der Bezirksvertretung Innenstadt, die im Juni 2022 den Antrag von »Deutz autofrei« mit großer Mehrheit beschloss. »Die Verwaltungen müssen sich erst noch rechtssichere Instrumente erarbei­ten, besser noch: der Bund die Straßenverkehrsordnung ändern.« Das würde womöglich die Deutzer Freiheit dauerhaft autofrei machen – aber nicht die Konflikte im Veedel beenden. Befürworter wie Gegner der autofreien Straße werfen einander vor, lauter, aber nicht in der Mehrheit zu sein.

»Redebeiträge von unterstützenden Stimmen des Verkehrsversuchs werden bei öffentlichen Veranstaltungen niedergebrüllt, ausgebuht, lautstark verhöhnt oder sogar mit Schimpfworten kommentiert«, heißt es in einem Offenen Brief von »Deutz autofrei«. Julian Neumann von der »Initiative Deutz« wehrt sich. Die Politik habe Einwände gegen die Folgen des Verkehrsversuchs nicht ernst genommen. Er sei kein Vertreter der Autofahrer, er fahre eigentlich immer Rad. »Aber man kann Menschen, die hier seit teils vierzig Jahren leben, nicht sagen: Ab heute darfst du hier nicht mehr mit dem Auto einkaufen.« Neumann, der auf der Deutzer Freihheit einen Friseursalon hat, spricht von Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent bei den Gewerbetreibenden. »Selbst wenn man die Folgen von Inflation, Ukraine-Krieg und Corona berücksichtigt, ist das enorm!« Köln brauche eine Verkehrswende, dem stimme er zu. »Auch Verkehrsversuche sind nötig, aber nicht solche, bei denen man Bedenken einfach abtut.« Zu wenig Aufklärung und Begleitung durch die Verwaltung, kein Konzept für den gewonnenen Freiraum: Anwohner sagen, sie seien erst kurz vor Beginn des Versuchs informiert worden. Zudem sind kurz zuvor in angrenzenden Straßen bereits Parkplätze weggefallen, weil sonst die Feuerwehr nicht durchkam.

Kritik von Gewerbetreibenden habe man ernst genommen, immer wieder habe es Nachbesserungen gegeben, sagt Julie Cazier von den Grünen. Sie hätten alle Leute mitnehmen wollen, deswegen habe sich die Politik bewusst für einen Verkehrsversuch und nicht für die direkte autofreie Umgestaltung entschieden. »Aber es ist ein Problem, wenn gewisse Akteure die legitimierten politischen Entscheidungen der Bezirksvertretung in Frage stellen, das breite Angebot an Beteiligung nicht annehmen und gleichzeitig behaupten, sie wurden nicht beteiligt.« Außerdem würden »einige wenige Hardliner Lügen verbreiten«, etwa, dass Krankenwagen nicht durchfahren dürften. Dass er und seine Mitstreiter nicht gesprächsbereit seien, weist Neumann zurück. Er habe mit der Gegenseite gesprochen, aber der Kontakt sei abgebrochen, mittlerweile könne man von einem »Kulturkampf« sprechen.

Politisch haben wir keinen Fehler gemacht. Das Gericht hat die ­formale Umsetzung bemängelt
Julie Cazier, Grüne

Und nun? Die Stadt Köln habe ein »Stimmungsbild« erhoben, »Feedback von positiven und negativen Erlebnissen der Menschen auf der Deutzer Freiheit«, so ein Sprecher. Die »Entscheidungsfindung über die langfristige Ausgestaltung« stehe noch an. Man wolle Akteure vor Ort treffen und plane »Beteiligungsformate«. Auf andere Verkehrsversuche habe das Urteil ­keine »direkten Auswirkungen«. In der Bezirksvertretung wartet man die Auswertung ab, um neu über die Deutzer Freiheit zu entscheiden. »Politisch haben wir keinen Fehler gemacht«, sagt Julie Cazier. Das Gericht habe die formale Umsetzung bemängelt und keine inhaltliche Bewertung vorgenommen. Weniger Autos in den Innenstädten, diesen Weg gingen  alle europäischen Städte.

»Der Verkehrsversuch war ein Erfolg! Auch wenn andere das politisch niederreden«, sagt Jerry Schröder von »Deutz autofrei«. ­Julian Neumann, der sich freut, dass die Autos wieder fahren, sagt: »Dieser dilettantische Verkehrsversuch hat der Verkehrswende mehr geschadet als genützt.«